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Kant und die positive Philosophie.
Auch entspricht in der operativen Naturphilosophie der Physik
die Mechanik, der Metaphysik dagegen die ,natürliche Magie'.
Der Anthropomorphismus der teleologischen Naturbetrach
tung ist nicht die einzige Uebersclireibung des durch die Er
fahrung wirklich Gegebenen von Seite des Subjects. Jener
beweist, dass wir kein durch die Erfahrung verliehenes Recht
haben, die Natur nach Analogie menschlicher Kunstthätigkeit
anzusehen d. h. derselben die Endabsicht einer nach Einsicht
und mit Willen handelnden Intelligenz unterzulegen. Auch
dann nicht, wenn diese Unterschiebung einer allgemeinen,
in der Natur jedes Einzelnen kraft seines menschlichen Naturells
gelegenen Neigung entspricht und demgemäss allgemein von
allen vollzogen zu werden pflegt. Die Allgemeinheit, ja Un-
willkürlichkeit der irrthümlichen Auffassung hebt deren Irr-
thümlichk'eit nicht auf. Ueberweg (G. d. Ph. III. S. 40) hat
mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass Bacon’s Lehre
von den idola tribus ,in gewissem Masse' den Grundgedanken
von Kant’s ,Kritik der reinen Vernunft' antecipirt; obiger
Anthropomorphismus der Zweckursachen vielleicht noch ent
schiedener die Grundidee der Kritik der teleologischen Urtheils-
kraft.
Es ist Loclce’s Verdienst, die Scheidung dessen, was wirk
lich, und dessen, was nur scheinbar in der Erfahrung liegt,
durch seinen Versuch über den menschlichen Verstand weiter
geführt zu haben. Durch den Nachweis, dass die sogenannten
secundären Eigenschaften der Körper, wie Farbe, Klang u. a.,
wie schon Hobbes bemerkt hatte, als Empfindungsqualitäten
nur in dem empfindenden Wesen vorhanden seien, machte er
der Täuschung ein Ende, als ob die Erfahrung das Ansicli
der Dinge selbst kennen zu lehren vermöchte.
Berkeley ist bekanntlich noch einen Schritt weiter ge
gangen und hat auch die primären Qualitäten der Dinge, ja die
reale Existenz dieser selbst in Frage gestellt. An den Er-
kenntnisskanon Bacon’s, dass die Wissenschaft das Abbild der
Wirklichkeit sei (scientia veritatis imago), trat der Zweifel
heran, wie die mit den realen Dingen unvergleichbaren Empfin
dungsqualitäten ein Spiegelbild der ersteren darzustellen ver
möchten. Berkeley’s Idealismus gerieth auf den Ausweg, die
Erfahrung, da die Realität der Dinge sich in blossen Schein auf-