Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 77. Band, (Jahrgang 1874)

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Kant und die positive Philosophie. 
Auch entspricht in der operativen Naturphilosophie der Physik 
die Mechanik, der Metaphysik dagegen die ,natürliche Magie'. 
Der Anthropomorphismus der teleologischen Naturbetrach 
tung ist nicht die einzige Uebersclireibung des durch die Er 
fahrung wirklich Gegebenen von Seite des Subjects. Jener 
beweist, dass wir kein durch die Erfahrung verliehenes Recht 
haben, die Natur nach Analogie menschlicher Kunstthätigkeit 
anzusehen d. h. derselben die Endabsicht einer nach Einsicht 
und mit Willen handelnden Intelligenz unterzulegen. Auch 
dann nicht, wenn diese Unterschiebung einer allgemeinen, 
in der Natur jedes Einzelnen kraft seines menschlichen Naturells 
gelegenen Neigung entspricht und demgemäss allgemein von 
allen vollzogen zu werden pflegt. Die Allgemeinheit, ja Un- 
willkürlichkeit der irrthümlichen Auffassung hebt deren Irr- 
thümlichk'eit nicht auf. Ueberweg (G. d. Ph. III. S. 40) hat 
mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass Bacon’s Lehre 
von den idola tribus ,in gewissem Masse' den Grundgedanken 
von Kant’s ,Kritik der reinen Vernunft' antecipirt; obiger 
Anthropomorphismus der Zweckursachen vielleicht noch ent 
schiedener die Grundidee der Kritik der teleologischen Urtheils- 
kraft. 
Es ist Loclce’s Verdienst, die Scheidung dessen, was wirk 
lich, und dessen, was nur scheinbar in der Erfahrung liegt, 
durch seinen Versuch über den menschlichen Verstand weiter 
geführt zu haben. Durch den Nachweis, dass die sogenannten 
secundären Eigenschaften der Körper, wie Farbe, Klang u. a., 
wie schon Hobbes bemerkt hatte, als Empfindungsqualitäten 
nur in dem empfindenden Wesen vorhanden seien, machte er 
der Täuschung ein Ende, als ob die Erfahrung das Ansicli 
der Dinge selbst kennen zu lehren vermöchte. 
Berkeley ist bekanntlich noch einen Schritt weiter ge 
gangen und hat auch die primären Qualitäten der Dinge, ja die 
reale Existenz dieser selbst in Frage gestellt. An den Er- 
kenntnisskanon Bacon’s, dass die Wissenschaft das Abbild der 
Wirklichkeit sei (scientia veritatis imago), trat der Zweifel 
heran, wie die mit den realen Dingen unvergleichbaren Empfin 
dungsqualitäten ein Spiegelbild der ersteren darzustellen ver 
möchten. Berkeley’s Idealismus gerieth auf den Ausweg, die 
Erfahrung, da die Realität der Dinge sich in blossen Schein auf-
	        
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