Kant und die positive Philosophie.
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Menschen sei, gilt ihr wie jener als ausgemacht; die Grenzen
des Sinnes sind ihr auch jene des Erkennens. Was sich nicht
durch die Beobachtung verificiren lässt, ist überhaupt nicht
verificirbar. Das Uebersinnliche, es sei nun persönlich oder
unpersönlich, ein Gott oder eine blosse Idee, ist kein Gegen
stand der Erkenntniss, sondern der Einbildungskraft. Wissen
schaften vom Uebersinnlichen, Theologie wie Metaphysik, sind
nur Scheinwissenschaften.
Mit klaren Worten hat Bacon, das Vorbild Comte’s, das
Nämliche ausgesprochen. Alle gesunden Köpfe (tous les bons
esprits), heisst es (Cours de philos. Par. 18641. p. 12), wiederholen
seit ihm, dass jede wirkliche Erkenntniss sich nur auf Thatsachen
der Beobachtung gründen kann. Gott, Natur und Mensch sind
nach Bacon die Objecte der Philosophie. Sofern die Erkenntniss
des ersten aus der Offenbarung fliesst, ist sie ein Glauben, sofern
sie aus der natürlichen Erkenntniss stammt, kein Wissen. Wäh
rend die äussere Natur (der Inbegriff alles Sinnen fälligen) den
Intellect im geraden Strahle (radio directo) trifft, berührt die
(übersinnliche) Gottheit denselben wegen der ,Unangemessenheit
des Mittels' (propter medium inaequale, der Sinnlichkeit) nur
im zurückgeworfenen (radio tantum refracto). Ebensowenig
ist der dem Menschen eingehauchte (übersinnliche) Geist (spira-
culum) wissenschaftlich erkennbar; nur die physische Seele,
ein dünner, warmer Körper, ist ein Object wissenschaftlicher
Erkenntniss. Beides Uebersinnliche ausgeschieden, bleibt als
einziger Gegenstand der (durchaus sinnlichen) Erkenntniss das
Sinnliche, die Natur mit Einschluss der physischen Seele,
d. i. der Inbegriff aller sinnlichen Erscheinungen übrig.
Hobbes, Locke und deren französische Nachahmer haben
auf diesem Grunde fortgebaut. Die speculative Naturphilo
sophie hat nach Bacon die Erkenntniss, die operative die An
wendung der Naturgesetze, die philosophische Anthropologie
(philosopliia humana) den Menschen als Einzelnen, die Politik
(philosophia civilis) denselben als Glied der Gesellschaft zum
Gegenstand. Während er noch die Anthropologie in eine Lehre
vom Leibe und eine von der Seele und demgemäss Bewegungen
und Empfindungen unterscheidet, hebt Hobbes diesen Unter
schied auf. Gegenstand der Philosophie sind nur Körper;
unkörperliche Substanzen ein Unding. Alle realen Vorgänge,
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