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Kaufmann. Die Theologie des Baclija ihn Palaula.
wahren Frommen gelangen. Wenn die Seele voll von dem Ge
danken an Gottes Allgegenwart und Allwissenheit alle Hand
lungen gleichsam unter Gottes Augen vollführt und der Mensch
solcher Handlungsweise mit Eifer sich befleissigt, ,dann wird
der Schöpfer seine Betrübniss lindern, sein geängstigtes Herz
beruhigen, die Zugänge zu seiner Erkenntniss ihm erschliessen,
die Geheimnisse seiner Weisheit ihm offenbaren, seine Augen
auf seine Führung und Lenkung richten und ihn nicht sich
selbst und seiner Eigenmächtigkeit überlassen, so dass er dann
auf die oberste Stufe der Frommen und den höchsten Ehrenplatz
der Gerechten gelangt, ohne Augen sehen, ohne Ohren hören,
ohne Sprache sprechen, ohne Sinne sinnlich wahrnehmen kann,
ohne Schlüsse zu einer Auffassung gelangt' (VIII, c. 8; S. 358).
Dieser Erkenntnissweg Bachjas ist offenbar ein ekstati
scher Zustand der Seele, der in einer höheren Erleuchtung
besteht, die eine Anschauung des Göttlichen und Uebersinnliclien
uns vermittelt. Wenn aber Bachja diesen Zustand als das na
türliche Ziel eines reinen, religiösen Lebens, nicht aber als
etwas hinstellt, was durch gewaltsame Askese erzwungen werden
kann, wenn er weit davon entfernt ist, etwa in der Weise der
späteren spanischen Aristoteliker, von einer sinnlichen Wahr
nehmung Gottes und dem Hören seiner Stimme 1 während der
Ekstase zu sprechen, so hat sein reiner Gottesglaube ihn hiervor
bewahrt, wie denn überhaupt das Bewusstsein, mit der Lehre von
der Ekstase ein Fremdes auf jüdischen Boden zu verpflanzen,
vor einem Zuweitgehen in dieser Richtung warnen musste.
Schlummer und wirft sie von ihrem Wesen die leibliche Schuld und
körperliche Hülle, das ist die natürlichen Gewohnheiten, schlechte An
lagen und thörichten Absichten ab, so wird sie von den stofflichen
Begierden frei, ihr Wesen wird lichtartig, ihre Substanz erstrahlt. Ihr
Blick wird dann scharf und sieht sie dann die geistigen Formen, sie
erschaut die ewigen Lichtsubstanzen und bezeugt die geheimen Dinge
und verborgenen Geheimnisse, welche weder mit den körperlichen Sinnen,
noch an leiblichen Kennzeichen wahrgenommen werden. Hat dann die
Seele jene geheimnissvollen Dinge erschaut, so hängt sie sich an sie, so
wie der Liebende an die Geliebte, sie wird Eins mit ihnen, Licht in Licht,
bleibt ewig mit ihr in einer Lust, welche die ltede weder beschreiben
noch der Gedanke erfassen kann 1 . Es wäre überflüssig, die Einzelheiten
namhaft zu machen, in denen diese Stelle (Anthropologie S. 102; vrgl. auch
S. 127) mit denen Bachjas genau iibereinstimmt.
1 Wie z. B. Ilm Tophail den Haj ihn Jalczän in der Ekstase Gottes Stimme
hören (Philosophus autodidactus S. 155) und seine Wesenheit selber sehen
lässt. Vrgl. Ritter, die ehr. Phil. I, S. 501 und 505.