Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 77. Band, (Jahrgang 1874)

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Kaufmann. Die Theologie des Baclija ihn Palaula. 
wahren Frommen gelangen. Wenn die Seele voll von dem Ge 
danken an Gottes Allgegenwart und Allwissenheit alle Hand 
lungen gleichsam unter Gottes Augen vollführt und der Mensch 
solcher Handlungsweise mit Eifer sich befleissigt, ,dann wird 
der Schöpfer seine Betrübniss lindern, sein geängstigtes Herz 
beruhigen, die Zugänge zu seiner Erkenntniss ihm erschliessen, 
die Geheimnisse seiner Weisheit ihm offenbaren, seine Augen 
auf seine Führung und Lenkung richten und ihn nicht sich 
selbst und seiner Eigenmächtigkeit überlassen, so dass er dann 
auf die oberste Stufe der Frommen und den höchsten Ehrenplatz 
der Gerechten gelangt, ohne Augen sehen, ohne Ohren hören, 
ohne Sprache sprechen, ohne Sinne sinnlich wahrnehmen kann, 
ohne Schlüsse zu einer Auffassung gelangt' (VIII, c. 8; S. 358). 
Dieser Erkenntnissweg Bachjas ist offenbar ein ekstati 
scher Zustand der Seele, der in einer höheren Erleuchtung 
besteht, die eine Anschauung des Göttlichen und Uebersinnliclien 
uns vermittelt. Wenn aber Bachja diesen Zustand als das na 
türliche Ziel eines reinen, religiösen Lebens, nicht aber als 
etwas hinstellt, was durch gewaltsame Askese erzwungen werden 
kann, wenn er weit davon entfernt ist, etwa in der Weise der 
späteren spanischen Aristoteliker, von einer sinnlichen Wahr 
nehmung Gottes und dem Hören seiner Stimme 1 während der 
Ekstase zu sprechen, so hat sein reiner Gottesglaube ihn hiervor 
bewahrt, wie denn überhaupt das Bewusstsein, mit der Lehre von 
der Ekstase ein Fremdes auf jüdischen Boden zu verpflanzen, 
vor einem Zuweitgehen in dieser Richtung warnen musste. 
Schlummer und wirft sie von ihrem Wesen die leibliche Schuld und 
körperliche Hülle, das ist die natürlichen Gewohnheiten, schlechte An 
lagen und thörichten Absichten ab, so wird sie von den stofflichen 
Begierden frei, ihr Wesen wird lichtartig, ihre Substanz erstrahlt. Ihr 
Blick wird dann scharf und sieht sie dann die geistigen Formen, sie 
erschaut die ewigen Lichtsubstanzen und bezeugt die geheimen Dinge 
und verborgenen Geheimnisse, welche weder mit den körperlichen Sinnen, 
noch an leiblichen Kennzeichen wahrgenommen werden. Hat dann die 
Seele jene geheimnissvollen Dinge erschaut, so hängt sie sich an sie, so 
wie der Liebende an die Geliebte, sie wird Eins mit ihnen, Licht in Licht, 
bleibt ewig mit ihr in einer Lust, welche die ltede weder beschreiben 
noch der Gedanke erfassen kann 1 . Es wäre überflüssig, die Einzelheiten 
namhaft zu machen, in denen diese Stelle (Anthropologie S. 102; vrgl. auch 
S. 127) mit denen Bachjas genau iibereinstimmt. 
1 Wie z. B. Ilm Tophail den Haj ihn Jalczän in der Ekstase Gottes Stimme 
hören (Philosophus autodidactus S. 155) und seine Wesenheit selber sehen 
lässt. Vrgl. Ritter, die ehr. Phil. I, S. 501 und 505.
	        
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