Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 68. Band, (Jahrgang 1871)

Homerische Studien. 
407 
sehen Gedichten vorliegend zu ausgedehnter Anwendung auf 
forderten? Ich glaube, darauf giebt es nur eine befriedigende 
Antwort. Die Sprache war zum Theil eine andere geworden, 
und was ehedem ein treues Abbild der wirklichen Aussprache 
war, das stellte sich nun als etwas Fremdartiges dar, das man 
ohne die Autorität vorliegender Muster zu wiederholen oder zu 
erneuern sich scheute. Also was ich annehme ist eine so volle 
Articulation der Liquiden X \j. v p, dass diese dem Werthe von 
Consonantengruppen nahezu gleichkamen und wie diese 
Position bilden konnten. Und das muss einmal allgemeine 
Eigenschaft der griechischen Liquida gewesen sein, wie sich 
aus anderen Erscheinungen noch zeigen wird. Sie sanken aber 
von dieser Lautstufe herab, indem sie demselben Process der 
Verwitterung unterlagen, der als ein allgemein gütiges Ent 
wickelungsgesetz der Sprache, nach welchem die Veränderung 
der Laute sich vollzieht, erkannt ist (vergl. Curtius, Gz. 2 
365, Scherer, Zur Gesch. d. d. Spr., S. 86). Man wird dies 
befremdlich finden, dass ein Consonant in der Aussprache 
solle nahezu die Geltung zweier gehabt haben. Man wird viel 
leicht in diesem ,nahezu' eine halbe Zurücknahme der gewag 
ten Behauptung vermuthen. Mit Unrecht. Die Physiologie lehrt 
uns, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen den Mutae 
und Liquidae bestehe. Bei der Erzeugung der ersteren wird 
irgendwo im Mundkanal ein Verschluss gebildet, bei dessen 
Lösung die Luft mit stärkerem oder schwächerem Geräusche 
hervorbricht. Der Eindruck dieser Explosion auf das Ohr ist 
ein augenblicklicher, wesshalb man auch passend diese Ex 
plosivlaute momentane Laute genannt hat zum Unterschied 
von den Liquidae oder Dauerlauten. Bei der Erzeugung dieser 
wird an bestimmten Stellen des Artieulationsgebietes eine Ver 
engung gebildet, durch welche die Luft bei tönender Stimme 
sich hindurchpresst und wobei durch die Reibung oder Vibra 
tion des Organes die Laute sich bilden (F. <j, X, p), oder indem 
der Mundkanal für die Luft versperrt ist, nimmt sie den Weg 
durch die Nase und hier erzeugen sich eine Art Vocale, die 
Semivocales oder Resonanten p und v. Diese Laute dauern, 
man kann ein Ansetzen, Klingen und Austönen der Stimme 
unterscheiden und sie haben dadurch, sowie durch die Art 
ihrer Erzeugung eine gewisse Verwandtschaft mit den Vocaleu
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.