Müller, Über das lateinische Perfectum.
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Über das lateinische Perfectum.
Von Dr. P r i e d rich Mülle r.
Professor an der Wiener Universität.
Die Bildung des lateinischen Perfectums ist bekanntlich von
Seite der vergleichenden Sprachforscher in verschiedener Weise zn
erklären versucht worden. Wir finden diese Erklärungen alle in
Kürze hei Corssen: Uber Aussprache, Betonung und Vocalismus der
lateinischen Sprache. II. Aufl. Bd. I. S. 607 ff. verzeichnet und vom
Standpunkte der lateinischen Lautlehre gewürdigt. Nachdem sich die
meisten derselben als ungenügend herausgestellt haben, gibt Corssen
seihst im Anschluss an Aufrecht und Schleicher eine Erklärung, nach
welcher das lateinische Perfectum mittelst eines gesteigerten ßil-
dungsvocales i (gleich dem « des Sanskrit im Praesens, Imperfectum
und Aorist) und in einigen Personen (2. Sing. 2. und 3. Plural) mit
telst eines s gebildet wird, mithin eine innige Verwandtschaft mit
dem sogenannten fünften Aorist des Sanskrit zeigt.
Gegen diese Erklärung lassen sich nach meiner Ansicht fol
gende Einwendungen erheben:
I. Ist es sehr misslich eine ausschliesslich sanskritische Erschei
nung zur Erklärung lateinischer Formen heranzuziehen. Den Formen
mit dem sogenannten euphonischen i des Sanskrit (im Praesens,
Imperfectum, Aorist und im Infinitiv sammt den analogen Bildungen)
stellt nämlich keine einzige indogermanische Sprache wieder Formen
mit diesem i entgegen, nicht einmal im Imperfectum des Verbum sub-
stantivum, wo man hei dem hohen Alter dieser Wurzel und dem
Vorhandensein derselben in allen indogermanischen Sprachen eine
gewisse Übereinstimmung mit Recht erwarten könnte.
Sitz.l). d. phil -hist. CI. LXVI. Bd. I. Hft. 15
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