Laurentii Vallae opuscula tria. 1.
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Die Perle Demosthenisclier Beredsamkeit, die Rede vom Kranz,
hatte schon im Alterthum den Cicero zu einer lateinischen Nachbildung
gereizt, indem er, gleichsam als Ergänzung seiner im Orator nieder
gelegten Theorie, an dieser und Aeschines' Gegenrede seinen Zeit
genossen ein Muster des ächten attischen Stiles darbieten wollte.
Doch hat sich von Cicero’s Übersetzung ausser der Vorrede (de
optimo geilere oratorum) nichts erhalten.
Im Anfang des XV. Jahrhunderts aber hatte Leonardo Bruni
neben einer Reihe anderer Reden des Demosthenes auch diese von
neuem ins Lateinische übertragen 10 ).
Diese Umstände hätten andere von einem nochmaligen Versuche
eher abgeschreckt. Für Valla lag gerade ein besonderer Reiz darin,
an dieser schon im Alterthum und wieder von einem gefeierten Hu
manisten übertragenen Rede von neuem seine Kraft zu erproben und
so gleichsam den doppelten Wettstreit mit dem griechischen Redner
und seinem lateinischen Nachbildner zu bestehen. Denn gälte es blos
zu übersetzen, so, meinte er, sei die Aufgabe weder so schwierig
noch so verdienstlich, wie manche glaubten, deren Schriftstellerruf
fast einzig auf Nachbildungen antiker Litteratur gegründet war.
Komme ja doch das meiste von dem, was in Übertragungen Lob
verdiene, auf Rechnung des Originals, während dem Übersetzer
nichts bleibe als das Verdienst der Sprache. Im vorliegenden Falle
aber wuchsen die Schwierigkeiten mit den gesteigerten Ansprüchen,
welche man an eine zweite Übersetzung desselben Originals zu machen
berechtigt war, zumal Valla selbst die Vergleichung herausforderte.
Denn nicht weil Bruni’s Übersetzung mangelhaft sei, trachte er sie
zu überbieten, sondern im Gegentheil, weil sie gelungen, wolle er
darthun, dass das, was jener gut gegeben, nicht minder gut in
anderer Weise sich sagen lasse, und statt auf wortgetreue Wieder
gabe des griechischen Originals sich zu beschränken, bezwecke er
eine auch an sieb durch die Vorzüge lateinischer Beredsamkeit an-
Übersetzung eine Probe zur Vergleichung darzubieten: da mir keiner der
Drucke derselben, deren ich mehrere erwähnt finde, zugänglich gewesen,
so habe ich den betreffenden Abschnitt nach der Wiener Handschrift 3188
unter Vergleichung des nur ein kleines Stück des Anfangs enthaltenden
Wiener Codex 3121 (über welche beide näheres in dem genannten Excurs)
redigiert.
10 ) Siehe den fünften Excurs.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. LSI. Bd. 1. Hft.
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