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Übertragung griechischer Meisterwerke in Poesie und Prosa den
Humanisten einen erwünschten Stoff, um daran die von allen hoch
gehaltene Formgewandtheit in lateinischer Sprache zu erproben und
zu steigern. Daher denn die namhaftesten Humanisten des XV. Jahr
hunderts, Leonardo Bruni, Guarino, Ambrosius Tr%versari, Philelphus,
Poggio u. a., der eine mehr der andere weniger, in lateinischen Über
setzungen griechischer Profan- und Kirchenschriftsteller sich versucht
haben. Vollends nahm dieser Zweig humanistischer Litteratur einen
bedeutsamen Aufschwung, als Pabst Nicolaus V., der, selbst des Grie
chischen nicht mächtig, Sinn und Neigung für die classische Litteratur
besass, diesen Arbeiten "seine besondere Gunst und Unterstützung
zuwendete.
Auch Valla hatte auf diesem Gebiet sich bethätigt: er hatte die
Homerische Ilias in lateinischer Prosa übersetzt, und im Auftrag des
genannten Pabstes an der schwierigen Aufgabe sich versucht, Über
setzungen der beiden grossen Geschichtschreiber der Griechen, des
Thucydides und Herodotus zu liefern 8 ).
Zu diesen früher bekannten Übersetzungen Valla’s kommt die
genannte Demosthenes-Übersetzung neu hinzu, welche die Urbina-
tische Handschrift 337 an der Spitze einer Pieihe von Schriften des
selben erhalten hat 9 ).
Sammlung verwiesen, in welcher Bruni, wie einer der ältesten, so unstreitig
der bedeutendste und fruchtbarste Vertreter dieser Litteraturgattung, Aus
kunft gibt über seine Arbeiten auf diesem Gebiet und erkennen lässt, wie
rasch diese Übersetzungen sich verbreiteten, wie sehr sie begehrt waren,
wie Fragen und Discussionen sich daran knüpften: kurz man sieht, dass
diese Litteratur ihr Publicum hatte und ein Medium abgab zur Verbreitung
classischer Bildung, und das, denke ich, ist ein wesentliches Moment bei
Beurtheilung dieser Leistungen.
8 ) Siebe den vierten Excurs.
9 ) Die Übersetzung liegt mir in einer sehr accuraten Abschrift, die Herr Dr.
Hugo Hinck für mich besorgt hat — mit Ausnahme der ersten 4 Seiten, die
Herr Aug. Lorenz abgesehrieben — vollständig vor: doch habe ich den
Abdruck des Ganzen nicht rätblich gehalten, sondern mich beschränkt, ein
längeres Stück aus dem Anfang und den Schluss mitzutheilen: ersteres
habe ich so weit ausgedehnt, um eine am Anfang verstümmelte Wiener
Handschrift derselben Übersetzung, über deren eigenthümliche Bewandtniss
der fünfte Excurs nähere Auskunft gibt, noch eine ziemliche Strecke ver
gleichen zu können. Ausserdem schien es zweckmässig, auch von Bruni’s