Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 56. Band, (Jahrgang 1867)

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Europäern geschriebenen Wörterbüchern wird der Vorwurf gemacht, 
dass dieser Styl in ihnen bei weitem nicht in seinem vollen Umfange 
berücksichtigt wird. So wird hinsichtlich des von Dr. Williams ver 
fassten Wörterbuches, angeblich des besten, welches jemals ge 
schrieben wurde, bemerkt, dass in demselben kaum 20 Percent der 
von dem Herrn Verfasser als Beispiele gesammelten zusammenge 
setzten Wörter enthalten sind. Die beständigen Klagen über die 
Schwierigkeit der chinesischen Sprache seien daher leicht zu er 
klären. Mehr als SO Percent dessen, was Sinologen erlernen, sei 
kein gangbarer Colloquialstyl. Somit werden sie, wenn sie zu armen 
und unwissenden Leuten sprechen, nicht verstanden, nicht, weil 
sie nicht im Stande seien, Werke in chinesischer Sprache zu lesen 
und zu schreiben, sondern weil sie sich nie um den häuslichen Herd 
der Eingebornen geschaart, wo die Familienglieder in einer Sprache 
verkehren, welche künftigen Geschlechtern deu Stoff zu einer ge 
bildeten und verständlichen Volkssprache liefern werde. 
Gründliche Sinologen, welche das ganze Jahr bei einem ge 
sprächigen Lehrer sitzen, der beinahe schon weiss, was sie sagen 
wollen, ehe sie noch zur Hälfte ihre Rede vorgehrachf, hätten 
häufig den Gedanken belächelt, dass die chinesische Sprache jemals 
in ein phonetisches System gebracht und die ideographischen Zeichen 
entbehrt werden könnten. Es wird jedoch unumwunden erklärt, dass 
diese Herren mit einem ungebildeten Eingeborenen niemals leicht 
sich verständigen konnten, und in dem jüngsten Kriege sei ein Bei 
spiel vorgekommen, dass ein Sinolog ersten Ranges einemNeophyten, 
einem Neuling in dem Mandarinendialekt, den Vorrang lassen musste, 
weil jener Gelehrte kaum mit irgend Jemandem, seinen Lehrer aus 
genommen, sprechen konnte. 
Da, nie es heisst, die Frage, wie die Mundart von Canton in 
ein einfaches, phonetisches System zu bringen sei, häufig von den 
jüngeren Beflissenen der chinesischen Sprache erörtert worden, habe 
man verschiedene Schreibweisen aufgestellt, unter welchen diejenige 
des Dr. Williams für die beste gehalten und von dem Herrn Verfasser 
in seinen Werken genau befolgt wird. 
Weil das geschriebene Chinesisch ideographisch und bloss für 
das Auge berechnet ist, bedürfe es, um sich verständlich zu machen, 
keiner langen Wörter mit abwechselnden Lauten. Die Regel, dass 
man sprechen solle, wie man richtig schreibt, und schreiben, wie
	        
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