Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 56. Band, (Jahrgang 1867)

Roswitha und Conrad Celles. 
S 
weitere Geschichte ein Werk zu schreiben, und es dem Stadtrath 
zu widmen. 
Da Celtes auf die Sache einging, so machte er sich schon nach 
wenigen Monaten an die Arbeit. Zunächst hei dem Ursprünge Nürn 
bergs musste auf die Legende des hl. Sehaldus, des Stadtpatrons, 
zurückgegangen werden. Nicht allein in Nürnberg, sondern auch in 
benachbarten Städten wurde in den Klosterbibliotheken nachgeforscht. 
In Regensburg, wo er an dem Canonicus Janus Tolophus, einem 
tüchtigen Mathematiker und Astronomen wie auch nicht unbedeuten 
den Dichter, einen innigen Freund hatte, hielt er vorzüglich im 
St. Emmerams-Kloster emsige Nachforschungen nach alten Heiligen 
geschichten. 
Es unterliegt keinem Zweifel, dass bei dieser Gelegenheit Celtes 
in dem genannten Benedictiner-Kloster das Legendenbuch einer 
sächsischen Nonne Roswitha *) aus Gandersheim entdeckte. Mehr 
noch als das Alter der Handschrift erregte der Umstand, dass eine 
Frau, und zwar schon im 10. Jahrhundert, im Zeitalter der Ottonens), 
als Schriftstellerin aufgetreten war, die Aufmerksamkeit unsers 
Dichters. 
Der Name wird in der angeblichen alten Handschrift Hrotsuitha, aber auch einmal 
llrotsvit geschrieben und durch Clainor validus erklärt. Celtes selbst ist in der 
Schreibung des Namens sich nicht gleich geblieben: er schreibt Hroswitha, ITros- 
uitha und Rosuita. Der Sponheimer Abt Johannes Trithemius und andere Freunde 
des Celtes gebrauchen die Formen Hrosuitha, f Po(7j3i3a, Roswitha, Rosuitha, Ros- 
vida. Bodo hat Rosvita und Rosuita. Ganz willkürlich ist die Behauptung eines 
Späteren, die Nonne habe eigentlich Helena Rossow geheissen. Über ihre Lebens 
verhältnisse ist nichts bekannt ausser dem Wenigen, was sie in ihren angeblichen 
Werken über sich selbst berichtet. Dass sie aus einem sächsischen Geschlechte 
gewesen, erfahren wir eigentlich nur aus den von des Celtes Hand herrührenden 
Überschriften im Codex. Trithemius und Bodo stützen sich offenbar bei ihren An 
gaben auf diese Beifügungen des Celtes. 
2 ) Job. Trithem. vir. illustr. p. 129: Claruit temporibus Ottonis primi et secuudi 
clariss. Imperatorum a. d. DCCCCLXX und in Chronic. Hirsaug. p. 36. Im Catal. 
de script. eccl. ed. Fabric. p. 99 n. 391 findet sich die Notiz: Coetanea Johannis 
Anglici (spätere lectio : Johannae Britannae fuit, quae) fuit, qui doctrina sua pa- 
patum meruit, welche Worte Bodo (syntagma Gandersh. in Leibnitz. sei*. Brunsv. 
111. p. 710) wiederholt. Wenn Barack (die Werke der Hrotsvitha) Vorr. S. VII 
behauptet, Trithemius stütze sich auf die Nachricht Bodo’s , so ist das eine irr- 
Ihümliehe Ansicht, indem gerade umgekehrt es der Fall ist, da Trithemius schon
	        
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