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Mus s a f i a
(1864) als XLV. Lieferung der Scelta di curiositä letterarie wieder
abgedruckt wurde. Man wird kaum irren, wenn man die Abfassungs
zeit dieser Storia popolare in das XV. Jahrhundert setzt.
Der Inhalt ist folgender: Diomede lieht Ginevra, die Frau eines
alten eifersüchtigen Mannes in Ravenna. Er verkleidet sich als Frau
und unter dem Namen Maria dient er in mehreren angesehenen Häusern
mit der Hoffnung, sich auf diese Weise Ginevra nähern zu können.
Der Alte wird als Podestä nach Perugia berufen, und entscldiesst sich
bei seiner Abreise, die vielgepriesene Marie als Gesellschafterin seiner
Frau einzusetzen Da er sie aber nicht sogleich findet
Otto di per Ravenna la cercava;
Di lei va domandando tuttavia
E tanti amiei e tante spie rinnova
Che Maria per Ravenna alfin ritrova.
Während seiner Abwesenheit leben die Verliebten im besten
Einvernehmen. Der Alte kehrt zurück; eines Tages will er mit der
schmucken Dirne schäckern und entdeckt bei dieser Gelegenheit
Diomedes’ Geschlecht. Darüber klagt er:
Tanto Maria per Ravenna cercai
Che per mio gran dispregio la trovai.
Ginevra streut frische Bohnen auf der Stiege; der Alte fällt und
bricht sich das Genick; Ginevra gibt ihm den Gnadenstoss und dann
beweint sie öffentlich dessen Tod.
Col tenipo Diomede ritornato
Sposö Ginevra gentile e piaeente;
Tutto el tesor del vecchio li e restato
E Tun e I’altro di ciö fu gaudente
E ritornossi al bei piacer passato.
Al buon proverbio ciascun ponga mente,
Di Maria per Ravenna il bei tenore;
Finita e qnesta storia al vostro onore.
Die nämliche Geschichte kommt in Verbindung mit Decamerone
IX, 6 als Nr. 25 der Proverbii des Cintio dei Fabrizii i). Nur wird
1 ) Vgl. Lemcke im Jahrb. fiir rom. Litt. I, 316, welcher etwas zu streng die zweite
Erzählung als ganz inhaltsleer bezeichnet.