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Denn die nächste Folge der Worl Interpretation war die, dass
zum, Nachtheil des Redners das als gesagt galt und dem Urtheile zu
Grunde gelegt wurde, was den Worten entsprach, nicht was in
seinem Sinn und seiner Absicht gelegen war. Die nächste Folge
eines Formfehlers aber war die Ungültigkeit oder Nichtigkeit der
betreffenden Erklärung und Handlung, während beim Schwur —
gleichviel ob der Sachwalter oder ein Gezeuge gefehlt hatte 8 )
— ausserdem noch Bussfälligkeit eintrat °). ln diesen Wirkungen
äusserte sich der Formalismus so lange, als er überhaupt an
erkannt war. ' Dagegen bestimmten sich die weiteren mittelbaren
Folgen an einzelnen Orten zeitlich verschieden und zwar bildete, wo
dies der Fall war , das vierzehnte Jahrhundert den Wendepunct.
8 ) Das Ofner Stadtrechtsbuch c. 314 bei Michnay und Lichner S. 170 sag t: Dein v i I aide
ertailt seyn, der sech sich für, das er sich daryn halt, also yn der forsprecher ader
yo der richter, der im selber gepunden ist, lerent vnnd vntterweisent, dasz er
vnnd seyn geczeug dar an an kainem stuck nicht felenn. Denn , wenn sich
z. B. ein Dieb mit sechs Gezeugen entschuldigen muss: feit aber ir eyner, so ist
er dem galgen vorfallen. Daselbst c. 265 S. 145 vgl. c. 258 S. 143. S. ferner
Brünner Schöffenbuch n. 99 (ex eo quod unus testiuin in juramento eeciderit,
equuin perdidit), und den Rechtssatz des salzburgischen Stiftslandes unten S. 129.
9 ) Diesen Rechtssatz spricht aus das Ofner Stadtrechtsbuch c. 314 mit den Worten:
Auch so er feit an dem aide, so verfelt er gar der Sachen vnnd dem widertail vnnd
dem richter; ich meyne sulche fellung, der an der sach gruntlich waisz ; ferner
die Rechtsbelehrung nach Nikolscicz im Brünner Schöffenbuch n. 256. Item si jurans
bene jurat, formam non corrumpendo absolutus est a judice et actore. Si autem
formam corrumpit, actori in causa et judici obligatur etiam in
emenda. Vgl. ausserdem das Zeugniss unten S. 134 und Brünner Schöffenq. n. 97:
in cruce jurabit cum testibus, et si ipse vel aliquis testium in juramento eeciderit,
taxam solvet, mit der gleichlautenden deutschen Schöffensatzung n. 208. — Die
Busse wurde verwirkt, mochte nun die weitere Folge des misslungenen Eides in
Sachfälligkeit bestehen, wie nach den mitgetheilten Zeugnissen, oder mochte
schon eine Erholung gestattet sein, und im diesem Falle der misslungene Eid der
erste oder letzte gewesen sein. Was aber die Grösse der verwirkten Busse betrifft,
so betrug sie nach dem Rechte von Saalfeld stets fünf Schillinge, nach Freiberger
Rechte bald vier bald sechzig Schillinge (s. Abhandlung S.242, 243), nach Brünner
Rechte einen oder fünf Groschen, je nachdem das Gericht ein schlichtes oder
peremtorisches gewesen. Vgl. Schöffenb. n. 242. 251. 253. Dagegen lehrten die
Brünner Schöffen nach Nicolscicz, es sei emenda secundum causae merita taxanda.
Schöffenb. n. 256.