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Siegel
SITZUNG VOM 18. OCTOBER 1865.
Die Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang.
Dargestellt
von dem w. M. Heinrich Siegel.
I.
Sobald der Richter sich niedergelassen hatte auf seinen Stuhl,
hegte er das Gericht, und nachdem festgestellt worden, dass es der
rechte Tag und die rechte Stunde sei, verbot er Dingschlitz und
Unlust >). Niemand durfte jetzt mehr die Stätte verlassen, Keiner durch
sein Benehmen die Verhandlung stören. Ruhig und still musste ein
Jeder sich verhalten, widrigenfalls wurde er bussfällig dem Gerichte.
Wo ein Haufen tagen soll, fordert die Ordnung, dass der Einzelne
sich bescheide. Die Art, wie das Verbot der Unlust gehandhabt
wurde, war jedoch über die Maassen peinlich und kleinlich. Im
Lehensgerichte wenigstens verstiess wider dasselbe bereits Derjenige,
welcher nur seinen Platz veränderte, oder gar blos sich umsah,
welcher einer Fliege oder Bremse wehrte, sich schneuzte oder
wischte, spie, schluchzte, niesste oder hustete a ). Stockstät und laut
los, wie ein Soldat in Reihe und Glied, sollte Derjenige, welcher des
Rechtes pflog, im Ringe vor Richter und Urtheilern stehen. Schon die
blosse Gegenwart vor Gericht schloss daher eine “Gefahr“ in sich,
wie technisch das Walten des strengen Rechtes sowohl in seinen
1) Vgl. Homeyer, Richtsteig 436 ff., 360, 561.
2 ) S. unten Note 68 und vgl. Note 65.