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Goehlert
Armenier) erwirkten bei dem Kaiser Joseph ein eigenes Privilegium,
welches den Lipowanern besondere Vorrechte, namentlich die freie
Religionsübung, gewährte ().
Man hielt die Lipowaner anfänglich für schismatische Russen,
welche sich von den walachischen Schismatikern dadurch unter
scheiden, dass sie sich der illyrischen und nicht der walachischen
Sprache bei ihrem Gottesdienste bedienen. Kaiser Joseph selbst
schrieb bei Gelegenheit seiner Reise durch die Rukowina, wo ihn in
Suczawa Abgeordnete der Lipowaner Gemeinden feierlich begrüss-
ten, aus Czernowitz (am 19. Juni 1783) an den Hofkriegsraths-
Präsidenten Feldmarschall lladik: „Die Lippowaner sind russische
Dauern, ihre Religion ist die schismatische, man will nur einen
Unterschied darin finden, dass sie ihren Gottesdienst in illiri-
scher Sprache, wie in Russland, halten. Ausserdem sind sie arbeitsame
und fleissige Leute, welche man durch jene, so sich in der Moldau
noch befinden, zu vermehren trachten muss. Aus dieser Ursache
ist ihnen auch ein Pop von ihrer Nation zu gestatten, oder ihnen
einer aus Slavonien, wo die illirische Sprache am meisten in Übung
ist, zu verschaffen“.
In Folge dieser irrigen Ansicht wurde auch angeordnet, dass
die Popen der Lipowaner in kirchlicher Reziehung dem grie-
*) Privilegium für die aus Bessarabien eingewanderten Lippowaner de dato Wien
9. October 1783.
Wir Joseph II. etc. Nachdem die in Unserer Residenzstadt Wien eingetroffenen
2 Deputirte der am schwarzen Meere wohnenden Altgläubigen, Namens Alexander
Alexiew und Nikifor Larion im Namen und aus Auftrag dieser Gemeinden bei Uns die
Bitte angebracht haben, sich mit ihren Familien und ihrem Vermögen in Unseren
Landen ansiedeln zu können, so geben wir in der Zuversicht, dass dieselben nach
ihrem Eintreffen und erfolgter Sesshafttnachung an ihren künftigen Wohnsitzen in
Unseren Landen sich in allen Stücken, gleichwie Unsere übrigen Unterlhanen, betra
gen werden, den benannten zwei Deputirten und durch sie den herübersiedelnden
Gemeinden ihrerNation mittelst gegenwärtigen von Uns gefertiglen Patentes folgende
Versicherung :
1. Gestatten Wir ihnen das vollkommen freie Religionsexercitium für sie, ihre
Kinder und Kindeskinder nebst ihren Geistlichen.
2. Lassen Wir sie und ihre Kinder von der Zeit ihrer Ansiedelung 20 Jahre lang
von aller Contribution und Steuer völlig frei;
3. Gestatten Wir ihnen die Befreiung vom Militärdienste.
4. Werden Wir sie nach dem Verlauf von 20 Jahren nie mehr als nach Mass
ihrer Vermögensumstände bezahlen und wie andere mit ihnen in gleicher Lage befind
lichen kaiserlichen Unterlhanen hierinfalls behandeln lassen.