Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 32. Band, (Jahrgang 1859)

8 
Dr. P fizraaier 
ebenfalls doppelte Augensterne. Hiang-yü gehörte nicht zu den Nach 
kommen Schün’s, hatte nichts mit dessen Geiste gemein, gleichwohl 
war die Schnelligkeit, mit der er emporstieg, plötzlicher, über 
raschender als bei jenem alten Kaiser. Eine Menge hochbegabter 
Männer stritten damals um die Herrschaft. Hiang-yü hatte nicht das 
Geringste vor ihnen voraus, stand in keinexdei Ansehen, er erhob 
sich aus der Mitte der Erdhügel und Äcker, zwischen denen er ver 
borgen gelebt hatte. Nach drei Jahren stand er an der Spitze von 
fünf neugescliaffenen mächtigen Reichen und vernichtete Thsin. Er 
vertheilte und zerriss hierauf die Welt nach Gutdünken, setzte acht 
zehn Könige und zahllose Lehensfürsten ein, erwählte selbst einen 
Kaiser, führte dabei über deren Länder ausschliesslich die Regierung 
und nannte sich den oberherrlichen König. Thaten gleich den seinen 
waren seit den ältesten Zeiten in China noch nicht vorgekommen. 
Im Gegensätze zu den Oberherren der früheren Zeiten gründete 
Hiang-yü seine Herrschaft nur auf Gewalt. Er achtete nicht des dem 
Fürsten von Pei gegebenen Versprechens, er vertrieb und tödtete 
den von ihm eingesetzten Kaiser, forderte jedoch von den ihm unter 
worfenen Königen und Fürsten unbedingten Gehorsam und strafte 
jeden Abfall mit grenzenloser Strenge. Ohne Rücksicht auf das 
Alterthum, wollte er die Welt die er mit Gewalt der Waffen 
erobert, auch mit Gewalt der Waffen regieren. Nach fünfjähriger 
Herrschaft erlag er einem scheinbar unbedeutenden, von ihm oft 
geschlagenen Gegner, dem Fürsten von Pei, der es vei’standen 
hatte, die Fürsten der Reiche in dem unermüdlichen Kampfe den 
er gegen den Gewaltherrscher führte, als Rundesgenossen zu gewin 
nen. Hiang-yü, der in siebzig Schlachten Sieger gewesen, der sich 
rühmen konnte noch niemals geschlagen worden zu sein, noch 
niemals die Flucht ergriffen zu haben, verlor sein Reich durch den 
Abfall der von ihm geschaffenen Könige und starb auf heldenmüthige 
Weise. Er selbst sucht in einem seiner letzten Worte die Ursache 
seines Unglücks in der Fügung des Himmels der ihn verderben wolle, 
nicht in der .Führung der Waffen, worin er sich keinen Vorwurf zu 
machen hat. 
Sein Gegner, der Fürst von Pei, machte nach seiner Erhebung 
zum Kaiser das Unglück Hiang-yü’s und sein eigenes Glück zum 
Gegenstände einer Resprechung, indem er an die um ihn versam 
melten Lehensfürsten die Worte richtete: Möget ihr, o gereihte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.