Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 28. Band, (Jahrgang 1858)

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J. Dieme r. 
ihre Wahrheit zu beseitigen; ja man konnte um so mehr Bedenken 
tragen, sie unbedingt anzunehmen, als durch sie das Leben unsers 
Dichters gegen die hergebrachte Meinung um mehrere Jahrzehnte 
vorgeschoben wird und als die Folgerungen, welche daraus für die 
Geschichte der Poesie und insbesonders des Versbaues und Reimes 
hervorgehen, sich mit den Ergebnissen der bisherigen Forschun 
gen nicht recht vereinbaren lassen. Auch mochte der Fall, bei 
einem unserer ältesten, und wir dürfen wohl auch sagen ausgezeich 
netsten Dichter, von dem man bisher fast nichts wusste, nun sogar 
seine Büchersammlung aufgefunden zu haben, zwar für die Literatur 
geschichte sehr interessant, aberauch so aussergewöhnlich erscheinen, 
dass man trotz aller Wahrscheinlichkeit sich schwer entschliessen 
konnte, daran zu glauben. — Es blieb daher in hohem Grade 
wünschenswerth über unsere Vermuthung noch weitere Belege auf 
zubringen, welche sie zur vollen Gewissheit erheben konnten. 
Wo diese allenfalls noch zu finden seien, war, nachdem das 
Bücherverzeichniss vorlag, kaum zweifelhaft. Denn gehörten diese 
Bücher wirklich unserem Dichter, so mussten sich in seinen Werken 
doch auch einige Spuren oder Anklänge nachweisen lassen, dass er 
sie benützt habe. Je bestimmter diese Nachweise sind und je mehr 
die Anzahl der aus der Schenkung benützten Werke zunimmt, einen 
desto höheren Grad der Wahrscheinlichkeit muss nothwendig auch 
unsere Vermuthung erhalten. 
Unter den geschenkten Büchern rührt eine auffallend grosse 
Menge von Honorius von Autun her, welcher man nirgend ander 
wärts begegnet; es schien daher angezeigt, diese vor Allem genauer 
zu untersuchen, und zwar nicht blos die gedruckten, sondern auch 
jene Handschriften davon, welche sich vielleicht noch in unseren 
Kloster- und Staats - Bibliotheken finden mochten. 
Zu diesem Behufe unternahm ich im Herbste des Jahres 18S6, 
um mit den näher liegenden zu beginnen, einen kleinen Ausflug nach 
Göttweig und Melk. Meine Zeit hierzu war gemessen , meine Hoff 
nung etwas von Belang zu erreichen, nur sehr gering. Die Ergeb 
nisse übertrafen daher leicht meine Erwartungen, sie sind jedoch 
wichtig genug, so dass ich sie der Berücksichtigung der Forscher für 
würdig halte. 
Ihre Darlegung und zum Theil die durch sie angebahnten 
weiteren Belege für meine Vermuthung bilden den Vorwurf der gegen-
	        
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