Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 27. Band, (Jahrgang 1858)

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H. ß o n«i t /.. 
Man mag gegründete Zweifel hegen, oh eine neue Übersetzung 
der Platonischen Schriften oder eine durchgängige Revision der 
durch ihren streng eingehaltenen Charakter eigenthiimlich werth 
vollen Schleiermacher'schen Übersetzung mehr zu wünschen war; 
man mag noch gegründetere Einwendungen gegen eine Übersetzung 
erheben, welche, wie die Müller’sche, ohne auf das Verdienst 
charakteristischer Färbung Anspruch zu haben, nicht selten gegen 
die strenge Richtigkeit mehr oder weniger stark verstösst: jedenfalls 
muss man sich freuen, dass diese Übersetzung für einen gründlichen 
Kenner Platon’s die Veranlassung wurde, die Ergebnisse seiner um 
fassenden und eindringenden Studien in der Form von Einleitungen 
zu dieser Übersetzung niederzulegen. Den wohlthuenden Eindruck 
werden die Steinhart’schen Einleitungen auf jeden Leser machen, 
dass in ihnen eine Leistung vorliegt, welche nicht zufällig und flüch 
tig entstanden, sondern welche die reife Frucht aufrichtiger Begeiste- 
rung für den Gegenstand und gewissenhaft ausdauernder Arbeit ist. 
Mit sicherer Herrschaft über den fast bewältigenden Stoff legt Stein 
hart in der Einleitung zu jedem Dialoge die Gliederung des Gedanken- 
ganges dieses einzelnen Dialoges und seine künstlerische Gestaltung 
dar, macht uns mit den Personen, deren Gespräch wir anhören, mit den 
Zeitumständen, in welche die Haltung des Gespräches verlegt und unter 
denen es abgefasst ist, in der Weise bekannt, dass wir den Einfluss 
dieser Momente auf die gesammte Composition ersehen, und verfolgt 
endlich die Beziehungen jedes Dialoges zu anderen und anderer zu 
ihm, dass dadurch jeder einzelne Dialog seine volle Beleuchtung von 
der Gesammtheit erhält und die Zusammenstellung und Anordnung 
derselbenunsein Bild von Platon’s Geistesentwickelung gibt. Was bisher 
in Werken über Platon und über die griechische Philosophie über 
haupt und was in den einzelsten Monographien geleistet ist, findet 
hier seine Anwendung und seine gebührende Anerkennung, ohne 
dass dieser gelehrte Apparat irgend drückend wirkte; der Glanz 
der Sprache und der Schwung der Darstellung ist nicht ein 
äusserlich aufgetragener Firniss, sondern die aus der Freude an der 
Arbeit natürlich erwachsene Bliithe. Diese zuletzt bezeichnten Vor- 
ständniss der Platonischen Schriften grösstentheils entziehen. Wem die Behauptung 
der Willkürlichkeit zu stark erscheint, der wolle nur den ersten Theil der Einleitung 
an allen den Stellen aufmerksam vergleichen, wo der Verf. aus beigehrachten Notizen 
etwas als „offenbar und unzweifelhaft“ folgert.
	        
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