Die deutsche Königswahl bis zur goldenen Bulle.
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rieh zum römischen Senat 7 ) : „Jeder Glanz des Geschlechtes weicht
dem der Amaler! Und so wie, wer aus Euch geboren, als senatori-
scher Sprössling gilt, so wird wer aus dieser Familie geboren, als der
des Reiches Würdigste anerkannt.“
Aber selbst in dem engen Kreise des einzelnen Königsge
schlechtes war für die Wahl doch kein freier Spielraum gegönnt, son
dern es war Sitte, dass der nächste Verwandte des Verstorbenen,
sein erstgeborner Sohn, wenn er anders waffenfähig war, auf den
Thron berufen wurde. Nur, wenn das bisher herrschende Geschlecht
ausgestorben war, nur wenn — wie Folkwin von Lobbes sich aus
drückt 8 ) — „die Succession der natürlichen Könige aufgehört hatte“,
schritt man zu der Wahl aus einem anderen Geschlechte, aus dem
jenigen welches nunmehr als das edelste erschien. So thaten es die
Langobarden welche nach dem kinderlosen Tode Alboin’s den unter
ihnen edelsten Mann, Kleph, zu ihrem Könige erhoben 9 ).
Demgemäss trugen die germanischen Reiche, obschon sie Wahl
reiche waren, auch den Charakter der Erblichkeit an sich, da es sich
von selbst verstand, wer König werden sollte: der nächste Blutsver
wandte suecedirte unter hinzukommender Wahl, die eine keineswegs
überflüssige Anerkennung seines Rechtes war. Dies Princip drücken
die Quedlinburger Annalen sehr bezeichnend aus, indem sie von
Otto dem Grossen sagen: ,jure haereditario paternis eligitur succe-
dere regnis“ 10 ).
Wir lassen es dahingestellt, ob man in jenen Zeiten viele Refle
xionen über die Zweckmässigkeit dieses Systems gemacht hat; zweck
mässig aber war es, denn es wurden Thronstreitigkeiten vermieden,
andrerseits des Reiches Wohlfahrt, Ruhm und Glanz befördert. Man
sah daher lieber von manchem Anderen ab, wenn nur jenes Princip
gewahrt wurde. Hatte man z. B. im westlichen Frankenreich Karl den
7 ) Cassiod. Var. Lib. VIII, ep. 2: quaevis claritas generis Amalis cedit, et sicut, qui
ex vobis nascitur, origo senatoria nuncupatur, ita, qui ex hac familia progreditur,
regno diguissimus approbatur.
8 ) Folkwin, Gesta Abbat. Lobieus. c. 16 (bei Pertz, Monum. Germ, histor. Tom. VI,
p. Gl) : — regurn naturalium — qui apud Francos semper liaereditarii habebantur,
deficiente successione etc. — Vergl. Regin. Chron. ann. 888 (s. unten Note 49).
9 ) Paul Warnefrid. d. gest. Langob. Lib. II, cap. 31:— Langobardi vero apud
Italiam omnes communi consilio Cleph nobilissimum de suis virum in urbe Ticinensium
sibi regem statuerunt.
10 ) Annal. Quedlinburg, ann. 937. (Pertz 1. c. Tom. V, p. 34.)
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