Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 24. Band, (Jahrgang 1857)

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Phillips. 
worden. Sie bestellt darin, dass das Recht, den König der Deutschen 
zu wählen, seinem eigentlichen Wesen nach durchaus in keinem 
unmittelbaren Zusammenhänge mit den Hofämtern gestanden, viel 
mehr ein nationales der einzelnen zum Reiche vereinigten deutschen 
Stämme gewesen und von den Fürsten, d. h. dem Adel derselben 
ausgeübt worden sei. Aus der Zusammenstellung der für diese An 
sicht entscheidenden Thatsachen dürfte auch Einiges zur richtigen 
Würdigung des unläugbar verderblichen Einflusses entnommen wer 
den können, welchen die Ausbildung des in sich abgeschlossenen und 
auf die Siebenzahl beschränkten Kurfürsten-Collegiums auf die Ver 
fassung des Reiches und somit auf dessen Schicksale überhaupt 
geübt hat. Für die Erörterung dieses Gegenstandes erscheint es 
geeignet, zuvörderst auf historicliem Wege gewisse Principien fest- 
zustellen, insbesondere aber auch sich über die juristische Bedeu- 
tung des deutschen Reiches zu verständigen. Man muss in die 
ser Beziehung auch die ältere Geschichte der germanischen Völker 
in Betracht ziehen, welche dadurch ein um so grösseres Interesse 
gewinnt, als in ihr so Manches zum Vergleiche mit Demjenigen dient, 
was späterhin im deutschen Reiche sich zugetragen hat. 
I. 
Das Wählen der Könige war bei allen germanischen Stämmen 
uralte Sitte. Wenn wir auch nicht glauben, dass die bekannten Worte 
des Tacitus: „Reges ex nobilitate, cluces ex virtute sumunt“ 4 ) einen 
durchaus zutreffenden Gegensatz ausdrücken, so ist doch die Nach 
richt unstreitig begründet, dass die Germanen ihre Könige aus dem 
Adel genommen haben. Damit war der Königswahl in Betreff der Per 
son des zu Wählenden um so mehr eine Grenze gezogen, als die Zahl 
der Adelsgeschlechter bei den einzelnen Stämmen ohnedies nieht 
sehr gross war 5 ). Die Geschichte der germanischen Völker belehrt 
aber auch darüber, dass diese Schranke eine noch viel engere war, 
indem es als Regel galt: der Nachfolger des verstorbenen Königs wird 
aus dessen Familie, also aus dem unter den edeln Geschlechtern edel 
sten gewählt 6 ). In diesem Sinne sprach der Ostgothenkönig Athala- 
4 ) Tacit. Germ. cap. 7. 
5 ) Vergl. Waitz, deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 78. 
6 ) Vergl. meine Abhandlung über Erb- und Wahlrecht (Vermischte Schriften, Bd. i, 
S. 104 ff.).
	        
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