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SITZUNG VOM 11. MÄRZ 1857.
Gelesen:
Beiträge zur Erklärung des Sophokles.
II.
Von dem w. M. Hrn. Prof. Ilonitz.
Unter den Sophokleisehen Tragödien erfährt Antigone sowohl
in den weiteren Kreisen derer, die sieh für griechische Poesie und
Kunst interessiren, wie in dem engeren Bereiche philologischer For
schung eine kaum zu verkennende Bevorzugung. Wenn in allgemeinen
Werken die griechische oder Sophokleische Tragödie nach ihren
wesentlichen Zügen charakterisirt wird, so kann man nur zu häufig
bemerken, dass dabei die Sophokleische Antigone vorzüglich oder
gar ausschliesslich wie ein normaler Typus vorschwebte; und wenn
hierin vielleicht der Anlass lag, dass an dieser Tragödie zuerst der
Versuch gemacht wurde, sie in treuer Darstellung zur Anschauung
zu bringen, so wirkte jedenfalls dann dieser Versuch wieder darauf
hin, gerade der Antigone dies vorzügliche Interesse in den Kreisen
der Gebildeten zuzuwenden. Innerhalb der philologischen Literatur
hat sich die Thätigkeit für diese Tragödie weniger durch Einzel
ausgaben (Böckh, Wex), als durch zahlreiche der Composition des
Ganzen, der Erklärung und Texteskritik einzelner Stellen gewidmete
Monographien bewiesen. Die Schneidewin’sche Ausgabe, welche
die gesummten früheren Arbeiten mit eingehendem Verständnisse und
sinniger Hingebung an Sophokleische Dichtung venverthete, konnte
schon in ihrer ersten Auflage, noch mehr durch den Unterschied der
folgenden Auflagen von der ersten darauf hinweisen, wie weit wir
gerade in der Antigone trotz der schätzenswerthesten Forschungen
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