Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 22. Band, (Jahrgang 1856)

Über die Handschriften der Scholien zur Odyssee. 
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ander gingen, wie die Überlieferung schon damals eine schwankende 
war; und sie gaben die Gewissheit, dass unsere kritischen Forschungen 
hier nicht über die Alexandriner hinaus dürfen, noch können. Doch 
auch die Alexandriner hatten richtig erkannt, dass die Annahme einer 
bestimmten Grenze, über die sie in ihrer Kritik nicht dringen wollten, 
nöthig sei. Was für uns nach Lehrs’s trefflicher Darlegung der 
Aristarchische Text *)> das war für sie die Recension des Pisi- 
stratus. Hätten sie eine solche Grenze nicht festgesetzt, so würden sie 
völlig ins Blaue hinein operirt haben. Über die Berechtigung der 
Pisistrateischen Anordnung wollten sie grundsätzlich gar nicht weiter 
grübeln. Eine nur hieraus zu erklärende Erscheinung ist es, dass sie 
auf die eigenmächtigen Änderungen des Pisistratus, von denen wir 
anderwärts wissen und die sie auch kannten, gar keine Rücksicht 
nehmen. Das lässt sich noch jetzt bestimmt nacliweisen, ebenso für 
Aristarch wie für Zenodot. Ich erinnere nur an die Boicuvia und an 
die AohLvEia*): beide Stücke werden gleich den andern Büchern für 
echt homerisch gehalten und aus ihnen viele Stellen zur Erklärung 
entlehnt. 
Seit Lehrs sind bis zum heutigen Tage die Untersuchungen über 
alexandrinische Homerkritik nach der einmal gewonnenen Methode 
fortgeführt und keinen Augenblick unterbrochen worden. Doch war 
es fast ausschliessend die Ilias, mit welcher die Forschung sich 
beschäftigte, während die Odyssee beinahe unberücksichtigt blieb. 
Der Grund dieser Erscheinung liegt nahe genug; für diese flössen ja 
die Quellen weit spärlicher. Noch vor zwei Jahren waren die Butt- 
mann'schen 'scholia antiqua’ die einzig brauchbare Sammlung von 
Den Aristarchischen Text der Ilias und Odyssee in seiner Reinheit wieder zu gewinnen, 
erkannte schon Wolf als das höchste Ziel. Da er aber dieses zu erreichen für 
unmöglich hielt, glaubte er, nach einem Vulgattext trachten zu müssen und trat 
so mit sich selbst und seiner Überzeugung in Widerspruch, dass er auch die Ent 
scheidungen eines Aristarch, wo sie sich ermitteln Hessen, nicht für unbedingt 
bindend erklärte. 
2 ) Vgl. hierüber die Schrift von Holm im Programme des Lübecker Katharineums 
1853. — Nach der bestimmten Überlieferung des Eustathius ist das X. Buch von 
Pisistratus in die Ilias aufgenommen worden ; es linden sich in den Scholien zu 
demselben nicht ein einziges Mal die Ixoöasis xax’ avopa noch xaxä ttöXsk; erwähnt. 
Und dennoch vertauschte Zenodot einmal sogar ein Hemistiehion aus 0 501 mit dem 
in K 45 (vgl. scholl. Ven. 1. c.). Also hielt er beide Bücher für gleich homerisch. 
Belege hiefür Hessen sich noch manche beibringen. 
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XXII. Bd. II. Hft. 
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