Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 22. Band, (Jahrgang 1856)

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Boiler. 
ergibt sich indess ein wesentlicher Unterschied. Die Wirkung der 
Thätigkeit, welche den Gegenstand der Aussage bildet, erlischt 
entweder mit dieser, wie der Eindruck des leuchtenden Blitzes 
mit diesem zugleich schwindet, oder währet in dem durch sie 
gesetzten Zustande fort, wie das fortdauernde Bewusstbleiben 
einer reproducirten Vorstellung, einer gefundenen Wahrheit. Für den 
Geist, der vorn gegenwärtigen Momente, als Mittelpuncte aller auf die 
ZeitbezüglichenVorstellungen, den Act des Bewusstwerdens überschaut, 
ist dieser zwar in beiden Fällen ein vergangener, da er aber nicht 
unmittelbar die Erscheinung sondern seine eigene durch das Bewusst 
werden bedingte Affeetion mittheilt, hat er es nur im ersteren Falle 
mit einem absolut Entschwundenen (Praeteritum) zu thun, während 
im zweiten nur die durch das Bewusstwerden hervorgerufene Verän 
derung seines Zustandes der Vergangenheit angehört, der gesetzte 
Zustand seihst aber für ihn gegenwärtig ist. So kommt es, dass 
Aussagen mittelst Wurzeln der zweiten Classe ebensowohl auf 
die Vergangenheit (was selten) als auf die Gegenwart (was 
gewöhnlich der Fall) bezogen werden müssen 1 ). Sehr tref 
fend ist diese Doppelstellung der Bedeutung in dem sanskritischen 
(veda) „ich habe erschaut, ich weis“ zur Anschauung 
gebracht; die Personalsuffixe des Perfect’s deuten auf den in 
die Vergangenheit fallenden Moment des Erschauens, während die 
Abwesenheit der Reduplication die Beziehung auf die Vergangenheit 
aufhebt um die im Geiste sich fortsetzende Wirkung „das Wissen“ dar 
zustellen. Indess wusste nur das Sanskrit, und dieses nur in dem 
angeführten Falle beiden Beziehungen zu genügen, während die 
verwandten Sprachen formell nur den momentanen Act bezeichnen 
(ofda, memini, odi). So verhält sich die Sache auch in den ural- 
altaischen Sprachen, wenn sie die Stammwurzel gebrauchen. Der 
samojedische Ausdruck besagt ohne irgend eine Beziehung auf die 
Zeit blos, dass die Erscheinung eine Thatsache sei; das fortlebende 
Verständnis der Wurzelbedeutung reicht hin, diese in die Vergan 
genheit zu versetzen oder auf den durch die Thätigkeitsäusserung 
bedingten, noch fortwährenden Zustand zu verweisen: (Jur. samoje- 
diseh) mu-eu „ich nahm“ aber ~ati-eu „ich warte 2 ).“ 
*) Cas treu, Gramm, d. samqj. Spr. §. 470. 2 ) Ebendas. 473.
	        
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