Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 22. Band, (Jahrgang 1856)

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des Menschen hervorgehend. Das Gedachte und Gefühlte bedurfte 
einer leiblichen Bekleidung, um in seiner Identität wieder erkannt 
und anderen mitgetheilt werden zu können. Der Zweck, um dessent- 
willen der Geist den Stoff schuf, drückte diesem also im Momente der 
Schöpfung seine — wenn auch noch rohe — Form auf; eine formlose 
Menschensprache ist ein Unding. 
Am allerwenigsten bedarf es der weiteren Bemerkung, dass 
Sprachen welche die Verhältnisse der Erscheinung, derenBezeichnung 
die Wurzel darstellt, in so umfassender und bis ins minutiöse Detail 
eingehender Weise zum Ausdruck bringen, wie dies bei den ural- 
altaischen thatsächlich der Fall, bereits zur Zeit, wo sie die denModili- 
cationen des Wurzelbegriffes entsprechenden Exponenten feststellten, 
auch für die viel näher liegenden, auf denselben Anschauungen 
beruhenden und mittelst derselben Exponenten zu bezeichnenden 
Verhältnisse der Declination und Conjugation einen bestimmten Aus 
druck besessen haben. Wenn sich nun dessungeachtet an den Verbal 
formen — denn nur um diese handelt es sich, da die Identität der 
Casuszeichen keiner Verkennung unterworfen — die Verwandtschaft 
nicht erkennen lassen will, so muss man den Grund darin suchen, dass 
man den Gesichtspunct, von dem aus die in den Verbalausdruck 
einbezogenen Verhältnisse zu betrachten sind, nicht zu treffen verstand. 
In derThat, wer mit den Anschauungen über den Zeitausdruck, die 
er an den europäischen Sprachen entweder unmittel bar gewonnen oder 
aus philosophischen Deductionen construirt hat, an die Analyse des 
Verbums in den von stammfremden Einflüssen nicht berührten Sprachen 
des ural-altaischen Stammes tritt, wird sich nimmer mehr zurecht finden, 
auch wenn die materiellen Veränderungen welche die formellen 
Bestandtheile der Sprache durchgemacht haben, nicht so bedeutend 
wären, als sie es in der That sind, und daher nur bei vielseitiger 
vergleichender Betrachtung erkannt werden können. 
Wenn ich nun in vorliegendem Aufsätze es unternehme die Tem 
pus- und Moduscharaktere der einzelnen hieher gehörigen Sprachen 
einer vergleichenden Analyse zu unterziehen, um ihre Identität nachzu 
weisen, so bestimmen mich hiezu dieselben Gründe, welche den Aufsatz 
„über Wurzelsuffixe in den ural-altaischen Sprachen“ 
veranlassten. Auch ist es wieder Castren’s meisterhafte Arbeit über 
die samojedischen Sprachen, so wie die Ausdehnung des Gesichtskreises 
nicht blos über die unzweifelhaft zu demselben Sprachkreise gehörigen
	        
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