Boiler. Die Übereinstimmung- der Tempus- und Moduscharaktere etc. 223
Die Übereinstimmung der Tempus- und Moduscharaldere
in den ural-altaischen Sprachen.
Von dem c. M., Hin. Prof. Boiler.
Der stoffliche Zusammenhang der ural-altaischen Sprachenist
gegenwärtig in so ausgedehntem Umfange blossgelegt und nachge
wiesen, dass man zu seiner Erklärung nothwendig auf die Annahme
eines gemeinsamen Ursprunges der genannten Sprachen gedrängt
wird. Auch herrscht unter den Linguisten von Fache — natürlich abge
sehen von einzelnen unberufenen lauthaschenden Dilettanten, denen
glücklicher Weise der Boden unter den Füssen schwindet — über die
Zusammengehörigkeit der Sprachen Hoch- und Nordasiens, so wie des
nordöstlichen Europa von der Mündung des Amur bis zum Nordcap mit
Einschluss der excentrisch vorgeschobenen magyarischen heut zu Tage
kein Zweifel mehr. Weiter hinaus aber, wenn man nach der Art des
Zusammenhanges und den Beweisen für die Identität in den Formen
fragt, gehen die Ansichten aus einander. Man begnügt sich in der
Regel mit dem unbestimmten Ausdrucke „einer weiteren Verwandt
schaft,“ reducirt diese wohl selbst auf eine blosse „Wurzelverwandt
schaft“ und glaubt sich hiedurch von der Verpflichtung entbunden, die
Formeneinheit zu erweisen. Man macht gelegentlich auch einen
Unterschied zwischen höher und niedriger entwickelten und organi-
sirten Sprachen, um freie Hand zu gewinnen das was sich in den
Rahmen des nachweislich Identischen nicht schicken will, auf eine
bequeme Weise auf die Seite zu schieben. Endlich muss auch die
historische Thatsache, dass die formenreichen Sprachen allmählich
einen mehr minder bedeutenden Theil ihres Reichthums einzubüssen
pflegen, ja bis zur Grenze der Formlosigkeit herabsinken, und in Folge
dessen das Verlorene auf synthetischem Wege wieder zu ersetzen
streben, als Nothanker dienen, um die Verwandtschaft der Sprachen
aufrechtzu erhalten, ohne genöthigt zu sein den ins Einzelne gehenden
Nachweis des gemeinsamen Ursprunges der Formen führen zu müssen.
So viel ist klar, die Schöpfung des Sprachstoffes war ein Act
innerer Nothwendigkeit und unmittelbar aus der vernünftigen Natur