Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 22. Band, (Jahrgang 1856)

Nikolaus Poppel, erster Gesandter Österreichs in Russland. 
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dem allgemeinen Centrum vermittelte und den nachmals zur ersten 
Territorialmacht angewachsenen russischen Staat durch das sich 
immer mehr geltend machende Bedürfniss nach europäischer Civili- 
sation an seine natürlichen Genossen im Westen knüpfte. 
Wie im Lehen das Individuums eine zufällige bedeutungslose 
Begegnung nicht selten von entscheidendem Einflüsse, von lebens 
schweren Folgen wird, eben so ist es im Leben der Staaten. 
Die ersten Berülirungs- und Anknüpfungspuncte des freund 
schaftlichen Verhältnisses zwischen den beiden Grossmächten Öster 
reich und Russland waren unbedeutend, wenig versprechend; und es 
muss fast als eine vorausgreifende Fügung der Vorsehung, die aus 
kleinen Anfängen grosse Ereignisse entspriessen lässt, angesehen 
werden, dass ein Mann den Neugierde und Reiselust durch die 
meisten Länder West-Europa's getrieben hatte, endlich das Ziel 
seiner abenteuerlichen Wanderungen nach dem noch unbekannten 
Nord-Osten verlegte und dadurch der Vermittler der diplomatischen 
Verbindung zwischen zwei Grossreichen wurde, die auf der Basis 
gleicher Interessen und in der Form freundschaftlicher Beziehungen 
ohne merkliche Unterbrechungen nahezu an vier Jahrhunderte währt, 
und in den schwierigsten Momenten der europäischen Gesellschaft 
durch das Gewicht ihres Ansehens und im Drange der Umstände 
durch die Entfaltung der materiellen Kraft zur Erhaltung und natur- 
gemässen Umstaltung des europäischen Staatswesens so wesentlich 
beigetragen hat. 
Wenn auch in diesem Augenblicke, wo Österreich, seiner hohen 
Mission sich bewusst, durch sein würde- und machtvolles Auftreten 
die Löschung eines Brandes bewirkt hat, der mit seinen verheerenden 
Armen ganz Europa zu erfassen drohte, und der besorgten Welt die 
Hoffnung wiedergab, dass die letzten Schwingungen der kurz voraus 
gegangenen grossen Erschütterung vollständig gedämpft und ein 
gesicherter Friede die Fülle von Segnungen der ungetrübten Staats 
ordnung über jegliches Land ausgiessen wird, die durch mehrhundert 
jährigen Bestand festgeknüpfte Verbindung vielleicht etwas weniger 
innig erscheinen dürfte, so bleibt es nicht minder wichtig und 
anziehend, die Art und Weise zu untersuchen und an der Hand der 
zugänglichen Quellen zu zeigen, wie diese anfängliche Berührung 
zwischen den beiden Mächten stattgefunden hat, fast im Momente 
ihrer Entstehung zum lebhaftesten staatlichen Verkehre erstarkt ist
	        
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