Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 19. Band, (Jahrgang 1856)

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Dr. Karl Scherzei*. 
und Grossen wurden von den Vasallen hoch geehrt und geliebt. Sie 
brauchten nicht zu arbeiten, noch ihre Wohnsitze zu bauen, noch der 
Gottheit ihren Tempel zu errichten; alle diese Geschäfte und noch 
viel mehrthaten für sie die Vasallen. Man legte ihnen zuweilen sogar 
übernatürliche Eigenschaften bei. So scheint wenigstens aus einer 
Legende hervorzugehen, welche die Chronik von einem der Könige, 
Namens Qucumatz (grosse Schlange) erzählt, der sieben Tage lang 
im Himmel verweilte, und eben so lange in der Hölle blieb, bald sich 
in eine Schlange verwandelte, und bald in einen Adler, bald in einen 
Tiger, und bald wieder in Blut (sangre coajada), und durch diese 
wunderlichen Metamorphosen selbst unter den Mächtigen des Reiches 
einen gewaltigen Schrecken verbreitete, und sich zu hohem Ansehen 
verhalf. 
ln der sechsten Generation, unter der Herrschaft von Zacquicab 
und Cavizimah, fand zum ersten Male eine Theilung des Reiches 
Statt. Dieselbe scheint gleichwohl nicht friedlicher, sondern gewalt 
samer Natur gewesen zu sein. Wenigstens hören wir bald darauf, 
dass mehrere Völkerschaften (parcialidades) welche keinen Tribut 
mehr bezahlen wollten, von den sie verfolgenden Soldaten unterworfen, 
zu Sclaven gemacht, gefoltert, gepeinigt (flechados) und 
machtlos über die Erde zerstreut wurden, „wie der Blitz sich zer- 
theilt, der in den Stein fährt, um ihn zu zersprengen“. —Zugleich 
tauchen jetzt in der Chronik Namen von Dörfern auf, welche 
noch heut zu Tage b estehen , und wenn schon im traurigsten 
Verfall, noch bis zur Stunde den Schauplatz illustriren, auf dem sich 
die von der Chronik erzählten Ereignisse zugetragen haben. Wir 
begegnen Namen, wie Chuuila ‘)— dasselbe Dorf, wo zu Anfang des 
18. Jahrhunderts Pater Ximenez als geistlicher Seelsorger lebte, und 
die vorliegende Chronik niederschrieb,— Rabinal, Tzacualpa, Totoni- 
capam, Quesaltenango, Guatemala, Momostenango u.s. w.; sämmtlich 
Orte die noch heute von den Quichestämmen bewohnt werden, und 
mehr oder minder dem classischen Boden der alten Indianergeschichte 
angehören. Auch gewahren wir jetzt, wie mit der zunehmenden 
Macht und dem steigenden Einflüsse des Reiches allmählich auch die 
inneren Zustände geordneter und consolidirter werden; politische 
4 ) Abkürzung- fürChichicastenang;o, ein Dorf in den Altos von Guatemala.
	        
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