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VII. Abhandlung: Bartsch.
im Gegensatz zum nudum ius, dem durch die Fruchtnießung
eines anderen beschränkten Eigentum. Raymund verwendet
jedoch den Ausdruck in germanistischem Sinne, plenum ius
steht im Gegensatz zum zeitlichen Eigentum, der Leibzucht,
und bedeutet das freivererbliche, keinem Ileimfall unter
liegende Recht. Sicher ist die zuletzt angeführte Bedeutung
hier gebraucht, wo das plenum ius in Gegensatz zu den Leih
zuchtsrechten der Formen II und IV (ad dies suos) gestellt
ist, und ebenso sicher ist dies in Form VI, wo der über
lebende Gatte nur bei Kinderlosigkeit plenum ius erhält,
während sonst offenbar Verfangenschaft eintritt. Desgleichen
erhalten die Kinder des zuletzt verstorbenen Gatten, der das
Gut nur zu Leihzucht besessen hatte, dieses frei pleno iure
nach Frage 2 und Form VI.
Die geschilderte Form (Nachfolge am gesamten Gut des
Verstorbenen frei von jedem Ileimfall) wird als libera dos be
zeichnet. Hradil hat an der Hand zahlreicher LTrkunden
nachgewiesen, daß tatsächlich im Spätmittelalter in Öster
reich und Steiermark die heimfallsfrei an den überlebenden
Gatten übergehende Ehegabe ,freies' Heiratsgut genannt
wurde (Hradil 53 ff.).
Die hier geschilderte libera dos ist aber noch mehr als
Hradils freies Heiratsgut. Sie ist vor allem eine Verschmel
zung der Gabe des Verstorbenen mit der eigenen Widmung
des Überlebenden (dos et donatio) zu einer Einheit, wäre also
das, was Hradil uns als späteres Produkt des freien Heirats
gutes, als älteste Form der ,gerennten‘ Ehe beschreibt
(Hradil 66 ff.). Dadurch, daß aber auch die paraferna in
diese Heiratsgutsgemeinschaft einbezogen werden, stellt sich
diese Form möglicherweise als die spätere erst im 15. Jahr
hundert häufigere Form der gerennten Ehe dar, der all
gemeinen Gütergemeinschaft mit Alleinerbrecht des über
lebenden Gatten. 1
Endlich ist diese Form noch dadurch verschärft, daß sie
im Gegensatz zu den beiden früheren Formen auch hei Vor
handensein von Kindern eintritt, deren Verfangenschafts
recht hiemit beseitigt ist, eine Form, die man im Mittelalter
nur ungern zuließ (Hradil 62 ff.). Die gerennte Ehe in
1 Siehe jedoch oben S. 39, Note.