Wilhelm von Schröder.
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zitieren, scheint er nicht eben sonderlich'überzeugt gewesen zu
sein. 1 So mag denn Han<,1 in Hand mit einer knappen Dar
legung seiner wichtigsten Programmpunkte auch der Hinweis
gehen, worin er sich an seine merkantilistischen Vorgänger an-
lelmte und in welcher Hinsicht er der Staatspraxis neue
Wege wies.
Im Mittelpunkte der merkantilistischen Lehre steht
als herrschendes Prinzip die Theorie von der Handelsbilanz.
Um die Rolle zu erfassen, die diese Theorie im Systeme des
einzelnen merkantilistischen Schriftstellers spielt, ist zunächst
die Vorfrage nach seiner Anschauung über das Wesen des
Oeldes zu beantworten. Verdient Schröder den Vorwurf, der
so lange Zeit seit Adam Smith gegen seine wirtschaftliche
Richtung erhoben wurde, daß sie Geld — in der Form von
Gold und Silber — und Reichtum irrtümlich für identisch ge
halten habe? Schröder wendet sich nun einmal gegen die An
sicht, daß Handel und Wandel im Lande den Reichtum ver
mehre, vielmehr ,wird das Land so viel reicher als entweder
aus der Erden oder anderswo Geld oder Gold ins Land ge
bracht wird und so viel ärmer als Geld hinausläuft 1 . Ein Satz,
der ihn manchem als Anhänger des ,Midaswahns‘ erscheinen
ließ. 2 Man übersah das Nachwort: ,denn dieweilen ex
communi consensu gentium Gold und Silber das allgemeine
Pretium ist aller Dinge und der Wert derselben an allen
Orten in der Welt nach dem Wert des Goldes und Silbers ge
schätzt wird, um welches alles kann erkauft werden; so muß
man den Reichtum eines Landes nach der Menge des Goldes
und Silbers in demselben ästimieren 1 . 3 Einer unbefangenen Be
urteilung wird nun nicht zweifelhaft sein, daß auch Schröder
wie der Mehrzahl der Merkantilisten das Edelmetall nicht
1 So bezieht sich Schröder nie auf Mun, dem er oft wörtlich folgt, und
nie auf Bechers Politische Diseurs, dagegen öfter auf ,Österreich über
alles, wann es nur will 1 (Kap. 17, § 12; Kap. 65, §2; Kap. 69, §4;
Kap. 97).
So findet Leo Petritsch, Die Theorie von der sogenannten günstigen und
ungünstigen Handelsbilanz (Graz 1902), S. 9 f., in diesem Satze Identifi
zierung von Reichtum und Besitz an Geld, und H. Eisenhart, Geschichte
der Nationalökonomie, 2. Aufl. (1891) S. 17, die ausgesprochenste Platt
heit.
ü Kap. 30, § 3.