Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 164. Band, (Jahrgang 1909)

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I. Abhandlung: v. Srbik. 
materiellen Kultur zielenden Plänen des Landesherrn gewich 
tige Hindernisse in den Weg legt. Der Gemeinsinn, der große 
Zug, das aufopferungsvolle Eintreten für verfassungsmäßiges 
Recht und geistige Freiheit, die Weite des Blickes für die Er 
fordernisse von Rechtspflege, Verwaltung und Wissenschaft, die 
früher die Stände ausgezeichnet, sie sind zum guten Teile ver 
schwunden und an ihrer Stelle herrscht, namentlich seit der 
Abdrängung des Bürgerstandes aus dem Landtage, Verknöche 
rung der Formen vor, engherzige und kurzsichtige Kirchtum- 
politik gegenüber höheren Zielen, eine einseitige Interessen 
vertretung, die sich hartköpfig jeder zeitgemäßen Neuerung - 
entgegenstemmt. 
Tatsächlich konnte das Fürstentum kaum bei Verteidigung 
des Landes auf sichere Unterstützung durch die Stände rechnen, 
geschweige denn im internationalen politischen und wirtschaft 
lichen Machtstreite kräftig auf treten. Angesichts solcher Ver 
hältnisse ist es erklärlich, wenn sich Schröder, mit dem in 
diesem Punkte übrigens auch Pufendorf übereinstimmt, gegen 
das Steuerbewilligungsrecht der Stände wandte und in seiner 
Auffassung von der Notwendigkeit der Einherrschaft noch be 
stärkt wurde. Die Stände des Österreich seiner Zeit hatten 
ihre Rolle als Staat- und kulturförderndes Element verloren 
und was sie dem Staate gaben, das war zu viel zum Sterben 
und zu wenig zum Leben. Und gerade in den Jahren der 
österreichischen Dienste Schröders setzte die Regierung Leo 
pold I. mit energischen Vorstößen gegen die ständische Macht 
ein: die Verschwörung der ungarischen Magnaten hatte ein 
blutiges Ende gefunden, Strafkommissionen in Ungarn, die Auf 
hebung der ungarischen Verfassung, das Regiment des Guber 
nators Ampringen suchen den autonomistischen Geist jenseits 
der Leitha zu brechen: in den deutschen und böhmischen Erb 
ländern nimmt das Landesfürstentum die Arbeit an den Rechts 
kodifikationen und Revisionen mit neuem Eifer wieder auf, der 
Kaiser schreibt wiederholt unter dem Titel der Türkensteuer 
allgemeine Vermögenssteuern, ohne die Stände zu befragen, 
aus, neue Gefälle, wie das Tabak- und Stempelgefäll, Versuche 
zur Einführung neuer Staatsmonopole, zur Durchsetzung einer 
allgemeinen Verbrauchsabgabe, der Akzise, zeigen, wie das 
Fürstentum strebt, finanziell von den Ständen unabhängig zu
	        
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