Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 164. Band, (Jahrgang 1909)

Wilhelm von Schröder. 
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Das Vorbild des patriarchalischen, auf Gottesfürchtigkeit 
und Gerechtigkeit aufgebauten Staates liegt nahe: es ist das 
Sachsen-Gotha Emsts des Frommen, dessen würdiges 
Regiment in der Seele seines Landeskindes tiefe Eindrücke 
hinterlassen haben mag, jener Staat, dem auch Seckendorfs 
,Fürstenstaat“ und ,Christenstaat“ zu danken sind. Und die 
Festigung, Vertiefung und Ausbildung seiner in England be 
gründeten absolutistischen Theorie hat Schröder gewiß dort ge 
wonnen, wo er die dauernde Stätte seiner Tätigkeit fand, in 
den Ländern Kaiser Leopold I., dem er die Frucht seines 
Geistes widmete. Ein Blick auf die staatsrechtliche Gestal 
tung in Österreich, die Wertung namentlich der Rolle, die 
in der Staatserhaltung und im Staatsleben die Antipoden des 
Absolutismus, die Landstände, damals spielten, kann demnach 
einen weiteren Schlüssel zum Verständnis der Grundanschau 
ungen Schröders geben. 
Die Gegenreformation hatte in Österreich den alten Kampf 
der landesfürstlichen und der ständischen Macht im wesent 
lichen vollendet; der Dualismus des Staates ist vernichtet, an 
Stelle der zwei Subjekte des Staatsrechtes und der Staatsge 
walt ist eiues getreten, die Staatspersönlichkeit einheitlich ge 
worden. 1 Der verfassungsmäßige Anteil der Stände an der Ge 
setzgebung, der in ihrer Autonomie der inneren Verwaltung 
und ihrem Steuergesetzgebungsrechte beruht hatte, wird mehr 
und mehr zurückgedrängt; doch der Sieg ist noch lange kein 
tatsächlich vollständiger: neben dem Landesfürstentum stehen 
unter Leopold I. noch immer die Stände als eine Macht, die 
zwar an aktiver Geltung bedeutend verloren hat, durch passiven 
zähen Widerstand aber Schritt für Schritt vornehmlich kraft 
ihres Steuerbewilligungsrechtes den auf Vereinheitlichung des 
Staates gerichteten Strebungen, ja selbst den nach Hebung der 
1 Vgl. im allgemeinen G. v. Belovv, Territorium und Stadt (München und 
Leipzig 1U00), S. 255 ff. und F. Kachfahl, Der dualistische Ständestaat 
in Deutschland, Jahrbuch f. Gesetzgebung, Verwaltung u. Volkswirtschaft, 
26. Bd., S. 1063 ff. sowie A. v. Luschins Artikel ,Landstände 1 im Österr. 
Staatswörterbuch, herausgeg. v. Mischler u. Ulbrich, 2. Auf!., 3. Bd.; im 
besonderen A. F. Pribram, Die niederösterr. Stände u. die Krone in der 
Zeit Leopolds I., Mitteilungen d. Instituts f. österr. Geschichtsforschung, 
14. Bd., S. 589 ff.
	        
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