Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 156. Band, (Jahrgang 1908)

Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 23 
gezogen 1 und ihr dankt man es, daß dem ersten Buche von der 
bürgerlichen Herrschaft ein zweites und dann noch ein drittes 
nachfolgte. Man braucht auf die Einzelnheiten dieser Polemik 
nicht einzugehen: es genügt, die Tatsache festzustellen, daß die 
Thesen und der Kampf um sie den Anlaß zur Entstehung der 
beiden Bücher geboten haben. Indem er im elften Kapitel des 
zweiten Buches die These verteidigt, daß die Laien das Recht 
haben, auch gegen den Papst, wenn es not tut, strafend ein- 
zuschreiten, vergißt er doch nicht, auch hier eine feierliche 
Protestation anzubringen, daß er nicht daran denke, etwas zu 
behaupten, was dem päpstlichen und geistlichen Stande über 
haupt zur Unehre gereichen möchte, sondern nur die Wahr 
heiten aufzudecken, . die sich in den Gesetzbüchern und Chro 
niken finden, und daraus die etwa sich ergebenden Folgerungen 
zu erzählen. Das dürfte doch fromme Ohren kaum verletzen. 2 
Daß in den Ausführungen des zweiten Buches von De Civili 
Dominio, also in einer frühen Zeit, die ersten Spuren des Risses 
zwischen Wiclif und den Bettelmönchen zu finden und aus 
welchen Motiven es zu diesem Risse gekommen ist, wurde be 
reits an anderer Stelle bemerkt; 3 der Riß vollzog sich in einer 
früheren Zeit, als man gemeiniglich annimmt, und zweifellos 
deswegen, weil Wiclif in seinem Kampfe um das frühere Ideal 
der Minoriten nun deren Unterstützung vermißte. Schon jetzt 
hält er von den Orden überhaupt nicht viel, ,am besten wäre 
es, wenn es solche Spaltungen und Gründungen von Orden, die 
doch nur wieder auf irdische Verhältnisse zurückgehen, gar 
1 De Civili Dominio II, 5: Sed miror, qua fronte frater meus ausus est de- 
duccionem tarn frivolam fingere, specialiter coram tarn sciolo et vene- 
rabili auditorio in ecclesia beate virginis Oxonie: Sacerdotes debent 
corrigi per se ipsos vel suos episcopos: ergo in nullo casu debent corrigi 
per dominos seculares. Dieser Satz berührt die letzte These Wiclifs: 
Ecclesiasticus, immo et liomanus pontifex, potest legitime a subditis et 
laieis corripi et eciam accusari. 
2 De Civili Dominio II, 114: Non intendo personam aliquam diffamare vel 
in dohonoracionem vel dedecus Status papalis quicquam asserere . . . Nec 
video quomodo illud offenderet pias aures. Das ist der Standpunkt 
Wiclifs 1377. Dieselbe Ausdrucksweise in der bei Lewis p. 363 abge 
druckten Determinaeio Magistri Johannis Wyclyff de Dominio contra 
unum monaclium, p. 3G6: quod sonaret iniuriam dicte ecclesie vel racio- 
nabiliter offenderet pias aures. 
3 Studien zur englischen Kirchenpolitik I, 108.
	        
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