Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 153. Band, (Jahrgang 1906)

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I. Abhandlung: v. Schroeder. 
stattgefunden, sind die Vorstellungen von Göttern und Heroen, 
elbischen und gespenstischen Wesen von einem Volke zu dem 
andern gewandert. Wir bedürfen nur, um solche Beeinflussung 
sicher nachzuweisen, ganz bestimmter, fester Anhaltspunkte, 
wie sie bisweilen durch die Sprache, bisweilen auch durch 
andere hier in Betracht kommende Faktoren uns an die Hand 
gegeben werden. Solche feste Anhaltspunkte liegen nun auch, 
wie mir scheint, in dem gegenwärtig uns beschäftigenden 
Falle mehrfach vor, die mit Sicherheit den Schluß gestatten, 
ja fordern, daß an verschiedenen Punkten die estnische Mytho 
logie durch die germanische, speziell die skandinavische, be 
einflußt worden ist. Ich fasse dabei zunächst vornehmlich das 
Gebiet derjenigen Wesen ins Auge, welche wir in der ger 
manischen Mythologie unter dem Gesamtnamen der Elben 
(auch Wichte oder Kobolde) begreifen, und zwar ist es vor 
allem die Sprache, sind es die Namen, welche uns hier als Weg 
weiser dienen. 
An erster Stelle möchte ich da den Wassergeist, Wasser 
kobold oder Nix erwähnen, welchen die Esten mit dem Namen 
näkk bezeichnen, finnisch näkki. Schon Jakob Grimm hat 
diese Namen mit der schwedischen Bezeichnung näk, nek zu 
sammengestellt 1 und ohne Zweifel mit Recht. Die verwandten 
Bezeichnungen der andern germanischen Sprachen liegen weiter 
ab, wenn sie auch nah verwandt sind. Sie lassen sich nicht 
so unmittelbar zu den finnisch-estnischen stellen, wie die schwe 
dische, und haben daher weniger Anspruch darauf als Quelle 
dieser zu gelten. Die betreffenden Wesen heißen ahd. nihhus 
oder nichus, später niches, ags. nicor, mnl. nicker, nhd. Nix, 
fern. Nixe, altn. nikr, dän. nök, nok, nocke usw. Es fällt in 
die Augen, daß Esten und Finnen sich einer Form bedienen, 
die unter allen germanischen Sprachen der schwedischen am 
nächsten liegt, ja geradezu als mit ihr identisch bezeichnet 
werden darf. 
Prüfen wir nach dem Namen auch die Vorstellung von 
diesem Wesen näher, so ergibt es sich, daß der estnische näkk 
mit dem schwedisch-germanischen näk, dem Wassernix, in jeder 
Beziehung übereinstimmt. Er ist ein boshafter, tückischer und 
1 Vgl. Grimm, Deutsche Mythologie, 4. Aufl., p. 404.
	        
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