Zur Kritik der Königsfelder Chronik.
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Wir überschauen nunmehr die Entwicklung des kleinen
Denkmals. Zu Grunde liegt eine 1365 verfaßte Geschichte
der Gründung Königsfeldens durch Elisabeth und des Lebens
der zweiten Stifterin Agnes. Ihr wurde 1365/66 eine Genealogie
der Habsburger von Albrecht I. ab vorgeschoben und mit
Herstellung eines Überganges zu einem Ganzen mit ihr ver
bunden. Um die Mitte der 90 er Jahre wurde die Genealogie
bis auf Rudolf zurückgeführt: der Teil, der damals vorgeschoben
wurde, hatte eine Reihe der deutschen Könige von Konrad IV.
bis Adolf (eingeschlossen), wobei Rudolf besonders berück
sichtigt war, zum Kerne und dieser wurde durch Entlehnungen
aus der Hagenschen Chronik erweitert. Die alte Einteilung
in zwei Bücher wurde beibehalten und nur das erste vergrößert.
Dabei dürften unbedeutende Zusätze auch in die ältere Stamm
reihe von Albrecht ab eingedrungen sein. Mit der Vergrößerung
des Ganzen wurde wohl auch eine neue Untereinteilung der
zwei Bücher in 30, beziehungsweise 31 Kapitel verbunden,
die aber nur unvollständig durchgeführt ist.
Dieses neue Ganze wurde später interpoliert, ohne daß
aber dabei der sonstige Wortlaut des Überlieferten anders als in
leichten stilistischen Änderungen angetastet worden wäre.
Es erhielt auch annalistische Anhänge, die bis 1411
reichen.
In der weiteren Überlieferung traten nur die gewöhnlichen
Schreiberverderbnisse ein. Aus ihr ist uns bloß eine Kopie, die
im Jahre 1442, vielleicht durch Clewi Fryger, hergestellt wurde,
dadurch erhalten, daß einerseits Martin Gerbert sie benützt
und abgedruckt hat, anderseits Stücke aus ihr in die Hand
schrift des britischen Museums (und deren Ausläufer) über
gegangen sind.
Die Kopie von 1442, die Grundlage unserer Kenntnis
des Werkchens, ist daher nicht als Auszug, sondern als mehr
fach erweiterte junge Überlieferung des Originals anzusehen.
Clewi Fryger hat mit der Abfassung des Ganzen oder einzelner
Teile nichts zu tun. Der Ursprung des Werkes sowohl als
seiner hauptsächlichen Erweiterungen ist in den Kreisen der
Königsfelder Franziskaner zu suchen.
Sitzungsber. d. pliil.-liist. Kl. CXLVII. Bd. 2. Abk.
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