Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 147. Band, (Jahrgang 1904)

142 
V. Abhandlung: Schönbach. 
Wie verträgt es sich aber mit dieser These, daß der 
Kodex noch Cantica und Hymnen, das Symbolum Athanasianum, 
ja sogar eine Heiligenlitanei enthält? Zunächst halte ich an 
der Meinung fest, daß Hymnen und Cantica von dem Über 
setzer der Psalmen selbst bearbeitet worden sind, vielleicht 
auch das Symbolum, was alles meines Erachtens (vgl. S. 102 
f. 117) sich mit der Abfassung des Werkes in der älteren Zeit 
der Waldenser ganz wohl verträgt. Die Heiligenlitanei wird 
schwerlich von demselben Übersetzer herrühren, der immer 
blicschoz für fulgura sagt, indes hier 183 d bleccen — blekzen 
gebraucht wird (die Litanei stammt übrigens nach den Namen 
der bevorzugten Heiligen — auch S. Radegundis kommt darin 
vor, die nicht vor der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein 
getragen sein kann — gleichfalls aus Österreich). Auch die 
Einrichtung der Handschrift für den Klostergebrauch wird 
kaum von dem alten Waldenser hergestellt worden sein. 
Über ihre Provenienz sagt uns die Handschrift nichts 
anderes, als daß in ihr verschiedenemale der Eigentumsvermerk 
des Dorotheenstiftes zu Wien sich findet. Wir besitzen zur Zeit 
über die Geschichte dieses Stiftes regulierter Chorherren des 
heil. Augustin nur die Arbeit von J. C. Stelzhammer, die als 
10. Band der ersten Abteilung der (kirchlichen) Topographie 
von Niederösterreich 1836 erschienen ist. Das Stift ist erst 
im 15. Jahrhundert gegründet worden (a. a. 0. S. 18), die Ka 
pelle jedoch, deren Einkünfte zur Fundierung dienten, war 
bedeutend älter und scheint nach mitgeteilten Urkunden dem 
Deutschen Orden gehört zu haben. Das hilft aber um nichts 
weiter, und irgend eine Aufklärung über die Art, wie unsere 
Handschrift in das (1786 aufgelöste) Haus der Chorherren von 
St. Dorothea (heute befindet sich an dessen Stelle das Dorotheum, 
das Versatzamt der Stadt Wien) gelangt ist, läßt sicherst dann 
erwarten, wenn einmal die Geschichte der Handschriften der 
kaiserlichen Hofbibliothek möglichst nach rückwärts wird for 
schend verfolgt werden. — 
Ehe ich diese vorläufige Darstellung schließe, der ich im 
Laufe der Zeit eine Ausgabe des Waldenserpsalters folgen 
lassen will, darf ich nicht unterlassen, der Verwaltung der kaiser 
lichen Hofbibliothek, namentlich Herrn Hofrat Karabacek 
und Herrn Kustos Ferdinand Menöik, meinen aufrichtigen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.