Untersuchungen zur altchristlichen Epistolographio.
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erhalten. Als Blütezeit dieser Flugschriftenlitteratur bezeichnet
H. Peters 1 die letzten Jahrzehnte der Republik und die erste
grössere Hälfte der Regierung des Augustus. Unter Claudius
und später unter Domitian regte sich das Pamphletwesen wieder
besonders mächtig. Es lag nahe, dem Feind auf seinem eigenen
Felde entgegenzutreten; daher schon unter Cäsar der Plan,
das Zeitungswesen sich dienstbar zu machen.
Nicht nur Rom selbst, sondern auch die Hauptstädte der
Provinzen waren ein fruchtbarer Boden für das Emporkeimen
boshafter Kritik. Bei dieser Stimmung der Geister ist es nicht
ausgeschlossen, dass bei abweichenden Anschauungen in einer aus
den verschiedensten und wechselndsten Elementen zusammen
gesetzten Christengemeinde wie Korinth die persönlichen und
sachlichen Gegensätze eine litterarische Gestalt annahmen. Dass
eine Revolution, die sich gegen die Autorität der Presbyter
richtete, schliesslich auch anderwärts zünden konnte und über
dies die Christengemeinden in unangenehmes Gerede brachte,
war Grund genug, litterarisch gegen eine litterarische
Gefahr Stellung zu nehmen. Wie Cäsar während der Tage
der Schlacht von Mutina Zeit fand, sich durch die Anticatones
duo gegen Ciceros Angriff in der oben erwähnten Lobrede
auf Cato zu wehren, so machte es auch die römische Ge
meinde.
Diese Annahme einer litterarischen Controverse erklärt
alle Schwierigkeiten, die der erste Clemensbrief in litterar-
historischer Beziehung bietet. So erklären sich die vielen Ver
weise auf den ersten Korintherbrief, während ein etwa von den
Presbytern in Korinth nach Rom gerichteter Privatbrief nirgends
citiert wird; und dass die Schrift der Gegenpartei nicht eigens
erwähnt wird, ist nicht auffallend, man wollte ihr eben diese
Ehre nicht anthun. Aber sie ist gewiss berücksichtigt, und
manches in dem Inhalt und Zusammenhang des ersten Clemens
briefes wäre uns heute verständlicher, wenn wir das Original der
Korinther hätten. Vielleicht hatte dieses öffentliche Schreiben
der Aufständischen sogar den Titel ,Brief an die Römer“; was
hätte das liciGvpoip^v TOtäkOa! -rcepl xßv iwi^Toupivwv xap’ Gp.iv
TCpayp.ä-wv sonst für einen Sinn?
1 A. a. 0. I 108.