XI. Al)h.: Jirecek. Das christliche Element in der topogr. Nomenclatur etc.
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Das christliche Element in der topographischen
Nomenclatur der Balkanländer.
Von
Dr. Constantin Jirecek,
corresp. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
Der tiefgreifende Einfluss des Christenthums auf die
Namensgebung des Mittelalters ist eine bekannte Thatsaclie
nicht nur bei Personennamen, sondern auch bei Ortsbezeich
nungen. Zu den älteren Ortsnamen, welche von den wech
selnden Schichten der landesüblichen Sprachen Zeugniss geben,
gesellten sich neue Elemente, entlehnt den Büchern der heil.
Schrift und der hagiographischen Literatur. Die zahlreichen
kleinen auf Fluren und Anhöhen zerstreuten oder bei Anker
plätzen und auf den Vorsprüngen der Seeküste errichteten
Kapellen boten bei der Abfassung von Urkunden im Osten
und im Westen die nothwendigen Anhaltspuncte zur Beschrei
bung der einzelnen Grundstücke und zur Feststellung der
Grenzen. Einen wichtigen Theil der localen Topographie
bilden die Namen der Klöster, der Stadtkirchen und der
ländlichen Pfarrkirchen. Auch die bewohnten Orte selbst,
Dörfer, Märkte, Burgen und Städte, erhielten oft Heiligen
namen, nicht nur in den Alpenländern, in Deutschland oder in
Ungarn, wo die Besiedelung relativ jünger ist, sondern auch
mitten unter der antiken Nomenclatur Italiens, wie in Toscana
(vgl. die jetzigen Städte San Miniato, San Gimignano, Borgo
San Sepolcro u. s. w.), im Neapolitanischen (u. A. das grosse
San Severo, im Mittelalter civitas S. Severi), in Kalabrien oder
im Adriatischen Küstengebiet, wo der Name der Gemeinde des
heil. Marinus (castellum Sancti Marini schon im 8. Jahrhundert)
heute als Staatsname einer souveränen Miniaturrepublik welt-
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXXXVI. Bd. 11. Abh. 1