Die alten Thraker. I.
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sich in ihre Schwerter che Häupter der Odrysen, Koilaleten
und Dior, die Vertheidiger der nationalen Selbständigkeit wider
die Römer; ebenso schloss Dekebalos sein thatenreiches Leben;
die dakischen Edclinge sehen wir auf der Trajanssäule um
den Kessel sitzen und einen nach dem andern den Giftbecher
leeren; hei Geten und Daken mochte der Glaube an die Un
sterblichkeit des Individuums diesen letzten Schritt erleichtern.
Die Alten wollten überhaupt in der Psyche des Thraken Todes
verachtung und den Hang zum Selbstmord erkennen: exoip.öxepov
(Eust. ad Dion. per. 304); Thracibus barbaris inest
contemptus vitae et ex quadam naturalis sapientiae disciplina
concordant omnes ad interitum voluntarium (Solin.); hahent
appetitum maximum mortis (Mart. Cap.). Dieser Hang wurde
jedenfalls durch die grausamen Spiele und die ständigen
Raufereien gefördert; der Thrake war gewöhnt, bei jeder Ge
legenheit Blut zu vergiessen. Schon Thucydides sagt von den
Diern, einem sonst geachteten Stamme: sie stehen keinem
Barbarenvolke an Mordgier nach. Die Grausamkeit der da
kischen Weiher hat die Trajanssäule verewigt. — Sonst wird
den Thraken der Hang zu Meineid und Treubruch zuge
schrieben; die 0p<ma ^apeupsct; war zum Sprichwort geworden,
und seit Menander galt der Satz: 0pax.e<; opy.ta ob* emaxavxai.
In gleichem Rufe standen im Mittelalter die Pinduswlachen.
So finden wir im Wesen des thrakischen Volkes, wie bei allen
halbbarbarischen Völkern, Erhabenes und minder Gutes ver
einigt; die Triebfedern zu Allem hat aber die Natur gegeben;
nur die fortschreitende Civilisation vermag die Naturwüchsigkeit
zu mildern und auf gute Bahnen zu lenken.
Die Psyche eines Volkes lernen wir übrigens am besten
aus dessen Sagengebilden und aus der Sprache kennen; über
diese Dinge wird der folgende Theil handeln.
Sitzungsber. d. pbil.-bist. CI. CXXYIII. Bd. 4. Abh.
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