Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 128. Band, (Jahrgang 1893)

Die alten Thraker. I. 
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bis auf Heraclius noch überall die lingua rustica Romanisca — 
ein Musterbeispiel hiefür bieten die bekannten Worte torna, 
retorna, fratre! welche (587) ein Soldat auf der Flucht durch 
den Haemuspass seinem Cameraden zurief. Die Milizen und 
Trossknechte bestanden aus Leuten hessischer Abkunft; vgl. 
Laurentius Lydus (de magistr. I 47 p. 109 a. 545): die Römer 
nennen xcpwva: xo'uc xaTCctvob?, 6-ota'j? ehou aup.ßawsi y.aÖ’ xobp 
Ä£Yop.£VOU? BLsuc, ou? ’Apptavbi; ev xoT? 7x0p: ’ÄAs^avSpou •xpojr ( Yopeuff£ 
Tpißa/Ao'jc. Mit Stolz aber nannten sich diese Bessen Romani, 
so wie ihre Nachkommen von heute, die Wlachen. 
Einige Forscher legen auf die Tliatsache grosses Gewicht, 
dass die byz. Annalen für die Zeit 600—1000 nicht ein einziges 
Zeugniss für das Dasein des ostromanischen Volkselementes 
auf der Haemushalbinsel enthalten. Das kann aber Niemanden 
befremden, der mit der Geschichte jener Zeit vertraut ist: 
damals war die griechische Herrschaft in Europa auf den 
ägäischen Küstenstrich beschränkt, im Inland treten nur die zu 
politischer Obmacht gelangten oder die feindlichen Völker hervor, 
also die Bulgaren, Slowenen, Serben, Ungarn und die politischen 
Steppennomaden ; es war niemals Anlass geboten, auf die 
romanischen Hörigen des Inlandes Bezug zu nehmen. Erst 
seit der Niederwerfung des sloweno-bulgarischen Reiches durch 
Basilius II. (1019) stellt sich wiederum eine genauere Ivenntniss 
ein, und sofort beginnen auch die Zeugnisse über das sporadische 
Vorhandensein des zu politischer und ökonomischer Ohnmacht 
verurtheilten ostromanischen oder ,wlachischen‘ Volkselementes 
im Pindus, in Makedonien, in der Rhodope, im Plaemus, und 
in der serbischen Rasa. Aber weit mehr Gewicht als zufällig 
überlieferte Chrysobullien und Schriftwerke besitzen die wla- 
chischen Dialekte, welche die innige Durchdringung der ro 
manischen lingua rustica mit dem slowenischen Sprachschatz 
erweisen und aus deren romanischem Grundstock wir die socialen 
und ökonomischen Zustände der vergangenen Culturepoche er 
kennen. Sogar Ausdrücke für das kirchliche Leben aus der 
Zeit des Theodosius II. sind darin enthalten, Ausdrücke für 
Steuerabgaben, für Hantierungen aller Art und für ökonomische 
Zustände, wie sie nur südlich von der Donau, niemals aber in 
der trajanischen Dacia, möglich waren, so dass, wer die wla- 
chisehe Frage von Grund aus lösen will, gerade den roma-
	        
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