Tomascliek. Zur historischen Topographie von Persien.
561
Zur historischen Topographie von Persien.
Von
Wilhelm Tomascliek,
corresp. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
II.
Die Wege durch die persische Wüste.
(Mit einer Karte.)
Es ist eine der dankbarsten Aufgaben der historischen
Geographie, die physischen und ökonomischen Zustände irgend
eines Erdstrichs rückwärts zu verfolgen bis in die Zeiten der
frühesten Kunde. Die wichtige Frage zumal, ob im subtropischen
Gürtel der alten Welt die Wüstengebiete an Umfang gewonnen
oder verloren haben, ob die Strecken der völligen Stagnation
alles Lebens im Vor- oder Rückschreiten begriffen sind, kann
die historische Geographie, falls ihr ausreichendes Material aus
vergangenen Zeiten zu Gebote steht, mit Erfolg beantworten
helfen. Für die Mediterrangebiete, für die Länder Nordafrikas
und Südasiens steht ihr ein bald mehr, bald minder brauch
bares Material wirklich zu Gebote, und sind die Nachrichten
aus älterer Zeit für die Sahara und für die arabische Wüste
verwerthet worden; die persische Wüste dagegen, über welche
uns selbst Ritter’s colossales Werk nur dürftig belehrt, hat eine
historische Behandlung noch nicht erfahren.
Und doch bieten die arabischen Geographen des 10. und
11. Jahrhunderts, z. B. Istakhri und Maqdisi, gerade über das
persische Wüstengebiet, das auf unseren Landkarten meist als
kahle terra incognita erscheint, reichhaltige Angaben, und es
dürfte sich lohnen, diese Angaben mit den Erkundigungen
unserer Tage zu vergleichen. Aus der Vergleichung ergibt
sich mit Sicherheit, dass die Zustände innerhalb des letzten
Jahrtausends auf diesem Gebiete merkwürdig stationär ge-