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Gomperz.
sind — eines fünffach verschiedenen Stellenwerthes theilhaft
und somit fähig werden, die 25 Buchstaben zu vertreten. Und
wenn Lady Scott triumphirend ausruft, ,dass in der Homo-
graphie .... ein und dasselbe Zeichen oder ein und derselbe
Schriftzug, nämlich ein ganz kleines gerades Strichei für das
ganze Alphabet gilt!' — so tliut auch hier eine ähnliche Unter
scheidung noth. Denn von dem einen Punkte abgesehen,
welcher in fünf verschiedenen Stellungen die fünf Vocale aus
drückt, kennt das homographische System ein kürzeres und
ein längeres wagrechtes, dann ein rechtsschräges und ein links
schräges Strichlein, zusammen also vier Elemente, welche
,längs dem Silhenstriche weiter hinauf und weiter hinunter
geschoben werden' und hiedurch je fünf verschiedene Stellen-
werthe gewinnen.
Ein dritter Punkt der Uebereinstimmung zwischen un
serem antiken und den modernen Kurzschrift-Systemen ist die
reichliche Anwendung mnemonischer Hilfen, wenn anders Ge-
dächtsnissstützen so heissen dürfen, die zumeist nicht sowohl
äusserlich hinzugefügt als vielmehr aus dem Streben nach natür
licher Ordnung und innerer Folgerichtigkeit wie von selbst er
wachsen sind. Dem, was oben über diese Seite des athenischen
Systems gesagt ward, wollen wir wieder einige diesbezügliche
Aeusserungen und Veranstaltungen moderner Schrifterfinder
gegenüberstellen. Vor Allem: das zwiefache Anordnungs-
princip, wonach sowohl die artverwandten (homogenen) als
die ortsverwandten (homorganen) Laute als solche ersichtlich
gemacht werden, gelangt in den am meisten ausgearbeiteten
Systemen der Neuzeit zu nicht minder vollständiger Durch
führung. So bei Lady Scott und bei Pitman. Letzterer
weist jeder Organclasse Striche von je einer (überdies aus
gesprochen symbolischer) Richtung 18 zu (,letters made by a
given organ are written in the same direction'), während die
functionelle Gleichartigkeit in der Beschaffenheit des Striches
zum Ausdruck kommt. Man vergleiche z. B. p (\) und b (\)
mit t ( |) und d (|) oder mit k (— ) und g (—) ; desgleichen
werden Lautpaare wie die Nasale (m = -~n, n = '-') und
die Liquiden (l — , r — ~^) als solche gekennzeichnet.
Nicht viel anders verfährt Lady Scott, wie die Gleichung
9 ( 1) 1 k ( "/) = d ( -Z) : t ( -|) = b ( J ) : p ( _/) zur