Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 105. Band, (Jahrgang 1844)

Ueber Hume’s empirische Begründung der Moral. 
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Besitz wirklicher oder vermeintlicher Wahrheit übt auf densel 
ben eine so unwiderstehliche Gewalt, dass er, wenn er auf 
Grund der erkannten Mangelhaftigkeit natürlicher Erkenntniss- 
quellen auf denselben Verzicht leisten soll, er lieber zum 
Glauben an das Vorhandensein übernatürlicher Erkenntniss- 
quellen seine Zuflucht nimmt, als dass er die Hoffnung, die 
Wahrheit zu erlangen, ein- für allemal aufzugeben sich ent 
schlösse. 
Wie hier der natürlichen eine übernatürliche, so tritt im 
oben angedeuteten Falle der theoretischen eine praktische Er- 
kenntnissquelle zur Seite. Wie die Offenbaning das Trans- 
cendente, alles dasjenige, dessen Erkenntniss ausserhalb der 
Grenzen der natürlichen Erkenntniss, so umfasst die praktische 
Erkenntnissquelle das Gute, dessen Erkenntniss ausserhalb des 
Bereiches der theoretischen Erkenntnissquelle gelegen ist. Die 
natürliche Erkenntniss ist für die Ei-kenntniss des Transcen- 
denten, die theoretische, für jene des Guten incompetent; 
woraus folgt, dass die Zweifelhaftigkeit, womit die erstere be 
haftet ist, ebensowenig dem Sein und der Erkennbarkeit des 
Transcendenten, wie jene, welcher die letztere unterliegt, dem 
Sein und der Erkennbarkeit des Guten anzuhaben vermag. 
Weltliche Wissenschaft und Offenbarung schliessen im ersten, 
theoretische Philosophie und Ethik im zweiten Falle ein Com- 
promiss untereinander. Während die erstgenannte dem Zwmifel 
preisgegeben, das Transcendente als Gegenstand der Offen 
barung aber über allen Zweifel erhoben wird, wird hier der 
Inhalt der theoretischen Philosophie als ungewiss, jener der 
praktischen aber als gewiss dargestellt, 
Philosophen dieser Art unterscheiden sich von den voll 
ständigen Skeptikern einer-, den vollständigen Dogmatikern 
andererseits, die es auf allen Gebieten sind, dadurch, dass sie 
auf dem Gebiete der theoretischen Philosophie Skeptiker, auf 
dem der praktischen dagegen Dogmatiker sind. Dieselben sind 
innerhalb der Philosophie mit jenen Scholastikern zu ver 
gleichen, welche ausserhalb der Philosophie ein ähnliches Ver- 
hältniss -zwischen dem Inhalt des Wissens und des Glaubens 
in der Art herstellcn zu können meinten, dass sie als Philo 
sophen Ungläubige, als Theologen dagegen Gläubige sein 
wollten. Solche gingen von dem Grundsätze aus, dass, w r as in
	        
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