Tomaschek. lieber eine Summa legum incerti auctoris.
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Ueber eine in Oesterreich in cler ersten Hälfte des XIV. Jahr
hunderts geschriebene
Summa legum incerti auctoris
und ihr Quellenverhältniss zu dem Stadtrechte von Wiener-
Neustadt und dem Werböczischen Tripartitum.
Yon
J. A. Tomasehek,
correspondirendem Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
JVus vier Handschriften, drei lateinischen und einer
deutschen, ist mir eine Summa legum bekannt geworden, die
in der Literatur meines Wissens noch gar keine Beachtung
gefunden hat. so gross mir auch die Bedeutung zu sein scheint,
die ihr namentlich für die Receptionsgeschichte des römischen
und kanonischen Rechtes in Deutschland und insbesondere in
Oesterreich zukommt. Im engen Anschlüsse an die Arbeiten
der Glossatoren der Schule von Bologna, sowohl der Legisten als
Decretisten, behandelt dieses Rechtsbuch in einem verhältniss-
mässig geringen Umfange, in einer selbstständigen, sich mehr
oder weniger von der Legalordnung der Quellen emancipirenden
systematischen Reihenfolge, alle Theile und Gebiete des Rechtes,
die zu seiner Zeit Gegenstände wissenschaftlicher Behandlung
geworden waren, ähnlich einem Lehrbuch oder Compendium
der neuen Zeit, auf Grundlage der fremden Rechte in einer
gedrängten, aber klaren Weise. Es gewinnt aber gegenüber den
ähnlichen Arbeiten der italienischen Juristen dadurch eine höhere
Bedeutung, dass es auch deutschrechtliche Sätze und An
schauungen in verständiger Weise mit dem römisch-kanonischen
Rechtsstoffe zu verarbeiten bemüht ist und den praktischen
Lebensverhältnissen seiner Entstehungszeit vielfältig Rechnung
trägt, ohne dadurch seinem wissenschaftlichen und einheitlichen
Charakter irgend einen Eintrag zu thun. Die Arbeit hat offenbar