Go mp er z. Herodoteische Studien I.
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Herodoteische Studien I.
Von
Prof. Dr. Th. Gomperz,
wirkt. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
l.
Die Frage nach dem Abschluss des lierodoteisclien
(xeschichtswerkes.
Herodot beginnt sein Werk mit einer Ankündigung,
deren Wortverstand zwar zumeist richtig aufgefasst, deren
Tragweite jedoch kaum nach Gebühr gewürdigt worden ist.
Er will — so sagt er uns — ,was von Menschen geschehen
ist“ der Vergessenheit entreissen und gleichzeitig verhindern,
dass ,grosse und wunderwürdige Thaten, welche Griechen
sowohl als Nicht-Griechen vollbracht haben, des ihnen ge
bührenden Ruhmes verlustig gehen“. Er will — dies ist augen
scheinlich der Sinn seiner Worte — einerseits das Andenken
der geschichtlichen Vergangenheit überhaupt erhalten, dieselbe
vor pietätloser Nichtachtung und Geringschätzung bewahren
helfen, andererseits der Mit- und Nachwelt hohe Vor- und
Musterbilder, Gegenstände der Nachahmung und Nacheiferung
vor Augen halten. Er will, mit einem Worte, nicht nur be
lehren, sondern zugleich erheben und erbauen. Darum und
nur darum stellt er neben das allgemeine Object seiner Ge
schichtsdarstellung ,xa ei; dvOpcwriov vsv6|j.eva‘ noch das besondere,
die geydX« xs zat Owoptacxa“ — die ,hauts faits et gestes
merveilleux“, wie Paul Louis Courier, die ,grossen Wunder
taten“, wie Friedrich Lange, die ,great and wonderful actions“,
wie George Rawlinson übersetzt. 1
1 Heinrich Stein’s Wiedergabe der durch ,Werke 1 , ,dauernde Denk
mäler 1 (s. seine Uebersetzung und commentirte Ausgabe) richtet sich