Der Streit um die geistlichen Güter und das Restitutionsedict (1629).
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Schritt doch geschehen, und der Kurfürst, in seinem Vertrauen
irre geworden, begann sich auszumalen, dass man ja vielleicht
auch gegen ihn die Formen des Processes: Anklage, Verhör
und Urtheil in Anwendung bringen könnte. 1 Und da er einmal
argwöhnisch geworden war, so fiel ihm besonders der Umstand
auf, dassTrauttmansdorff nichts als ein mündliches Versprechen
mitgebracht hatte; wenigstens ein ,kaiserliches Iiandbriefk hatte
der Kurfürst erwartet. 2 Er machte hierauf noch einen, gewisser-
massen verzweifelten Versuch, aus der Gesandtschaft Trautt-
mansdorff’s einen Vorth eil herauszuschlagen, indem er diesem
merken liess, dass er den kaiserlichen Hof in Prag zu besuchen
darum nicht ,mit Gewalt und sofort“ wieder in Besitz nehmen, weil
dadurch ein Religionskrieg entstehen würde.
1 Dass diese Befürchtung für die nächste Zukunft unbegründet war, geht
aus einem Gutachten der kaiserlichen Räthe, welches noch vor der
Trauttmansdorff’schen Gesandtschaft abgegeben wurde, hervor: dasMühl-
liausner Versprechen, hiess es darin, müsse man Kursachsen halten, ,wie
dann in alle Wege dahin zu trachten wäre, dass man Kursachsen in
dieses edictum oder dessen execution gar nicht einmenge oder uff ihn
verstehe, sondern hiervon separiere“. Aber dieses sollte hauptsächlich
nur geschehen, ,damit man dadurch die execution des mehrangezogenen
kaiserlichen Edictes im übrigen facilitiere und zu rühmlichem Effect
desto leichter bringe“. Dass Kursachsen nicht für alle Zukunft sicher
war, zeigt ein Schreiben Ferdinands an Maximilian vom 19. September
Ü>29, worin er dessen Rath wegen eines eingelangten kursächsischen
Protestes erbittet, damit nicht etwa Kursachsen selbst oder andere
evangelische Stände sich durch diesen Protest ,inkünftig in ihren ver-
lueindtlich habenden Rechten auf alle begebende Gelegenheit versichert
zu sein erachten oder halten mögen“ (Theatrum Europ. II, S. 23;
Londorp IV, S. 4; Münchner Staatsarchiv 4/4).
" Wenn er seines hergeliehenen Geldes halber contentiert“ (die Berechti
gung dieser Forderung erkannte auch der kaiserliche Gesandte an) und
seiner Stifter halber (hiebei ist freilich wohl Magdeburg mit gemeint)
,durch kaiserliche Handbriefl assecuriert würde, wolle er content, er
scheinen, eher aber nicht“, sagte der Kurfürst am 7. Juli zu Trauttmans-
dorff. Maximilian von Bayern rieth denn auch, da Kursachsen, wie es
scheine, nur ,in modo et forma eine mehrere Solennität und Sicherheit“
begehre, wirklich ein derartiges ,solennes und authentisches Diplom“
auszustellen, weil sich dann der Kurfürst .anderer Händel gern ent-
sehlagen würde“. Es ist schwer zu begreifen, warum der kaiserliche Hof
für gut, fand, diesen Rath so ganz und gar unbefolgt zu lassen (das
Gutachten Maximilians ist vom 13. September 1629; Münchner Staats
archiv 4/4).
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