Byzantinische Analekten. 361 Gerechtigkeit anstrebe, umgehe sich mit einer Mauer, fester zur Ab wehr der Ungerechten und Feinde, als die Wälle Babylons. Da aber die Gerechtigkeit ein so übernatürliches, göttliches Gut sei, so sollte jedes Geschlecht und jedes Alter diese Tugend wie ein Licht und eine belebende Kraft erstreben und festhalten; zumeist aber die, denen die Herrschaft über Länder und Völker anvertraut sei. Denn wie jeder andere Lebensberuf eine andere ihm entsprechende Tliä- tigkeit, Tugend und Frucht habe, so sei des Herrschers vornehmste Thätigkeit Übung der Gerechtigkeit, Lohn der Mühen aber ungetrübter Friede der Unterthanen. Da nun die Tugend der Gerechtigkeit sich sowohl auf göttliche als menschliche Dinge beziehe, das göttliche aber dem menschlichen voranzustellen durchaus Pflicht sei, so hät ten auch die Herrscher, gleich den Landbauern, die Erstlinge ihrer Mühen Gott darzubringen, und in auf Göttliches bezüglichen Dingen zuerst Gerechtigkeit zu üben, um nicht gegen Gott, ihren Wolil- thäter, durch den den Königen alle Macht verliehen ist, undankbar zu erscheinen. Da es nun der göttlichen Vorsehung gefallen habe, ihn zum Herrscher und Regenten nicht weniger Städte und Länder zu bestellen, so liege auch ihm ob, nicht nur künftigen Übeln durch vorbeugende Mittel, einem guten Arzte gleich, entgegen zu wirken; sondern auch, wenn eine Ungerechtigkeit schon Platz gegriffen habe, diese mit dem Schwerte seiner Macht zu entfernen. Nun habe Stephan Uros, der sich selbst den Kaiser der Ser ben und Romäer genannt habe, verführt durch die Höhe seiner Würde und die Grösse seiner Macht, nicht allein fremde, ihm nicht unterthänige Städte mit habgierigen Augen angesehen , das unge rechte Schwert gegen solche, die sich selbst keine Ungerechtigkeit zu Schulden kommen Hessen, gezogen, sie ihrer romäischen Frei heit (!) und ihrer angestammten Herrschaft, unter der sie entstan den, erwuchsen und gediehen, beraubt; sondern seine Ungerech tigkeit selbst auf Göttliches ausgedehnt, und die alten Bestimmungen der Kirche und der heiligen Väter dadurch überschritten, dass er in seinen Ländern auf unkanonische Weise einen Patriarchen geschaffen, und demselben nicht wenige Metropolen, die er mit Dreistigkeit der allgemeinen Kirche Christi entrissen, untergeordnet habe, woraus keine geringe Spaltung entstanden sei, indem hiedurch die Glieder vom Leibe Christi und vom Haupte getrennt, so der vom Haupte ausgehenden belebenden Kraft beraubt und gleichsam getödtet wor- Sitzb. d. phil.-hist. CI. IX. Bd. II. Hft. 24