Werner. Die nominalisireiifle Psychologie d. Scholastik d. späteren Mittelalters. 213
Die nominalisirende Psychologie der Scholastik
des späteren Mittelalters.
Von
Prof. Dr. Karl Werner,
wirklichem Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
P/rkenntnisstheorie und Realphilosophie stehen in einem
unlöslichen Connexe miteinander, zufolge dessen der Lehrinhalt
der einen und der anderen sich wechselseitig- bedingen. Die
vollkommene Durchbildung dieses Wechselverhältnisses beginnt
in der mittelalterlichen Scholastik von da an, wo dieselbe den
Gesammtinhalt der aristotelischen Weltlehre in sich auf'g-e-
nommen hatte. Wie in der thomistischen und scotistischen
Lehre der Weltbegriff und Seelenbegriff durchwegs den er-
kenntnisstlieoretischen Grundvoraussetzungen des Lehrsystems
entspricht, so auch in der darauf folgenden nominalisirenden
Scholastik des späteren Mittelalters, in welcher es speciell zur
förmlichen Ausgestaltung einer vordem noch nicht dageweseneii
nominalisirenden Psychologie kam. Das Wesen derselben besteht
in der Abschwäelmng, Verengerung oder völligen Beiseitesetzung
des universalistischen Charakters des intellectiven Seelenwesens;
diese Verengerung oder Beiseitesetzung ist das denknothwendige
Correlat der absoluten Beseitigung des Universale in re, welcher
zufolge das Universale selbst nicht einmal potentiell ein Sein
in den Dingen hat.
Als Vertreter der bezeichneten Entwicklungsphase der
mittelalterlich-scholastischen Psychologie werden in der vor
liegenden Abhandlung Durand von St. Pourcain, Occam und
Pierre d’Ailly vorgeführt. In Durand veranschaulicht sich
uns die Rückwirkung, welche der Heraustritt aus dem Con-