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Siegel.
haben dabei die oberländischen Starnmesrechte, das schwäbische 1
und namentlich das bairische Recht eine verhältuissmässig
geringe Beachtung und insbesondere nicht die, wie mich dünkt,
gebührende Anerkennung ihrer selbständigen Entwickelung ge
funden.
Eine Untersuchung aus dem Gebiete der genannten Rechte
wird daher immerhin auf eine freundliche Aufnahme rechnen
dürfen, und so übergebe ich die nachfolgende Studie, welche
mit einer Abzweigung des bairischen Stammesrechtes, mit dem
im Erzstift Salzburg giltig gewesenen Rechte sich befasst.
Allerdings war in der Zeit, aus welcher die Mehrzahl der zu
Gebote stehenden Quellen herrührt, das römische Recht bereits
als gemeines Recht anerkannt. Doch stört dieser Umstand
nicht, da hier wie anderwärts für die Ordnung der ehelichen
Vermögensverhältnisse das Volksrecht als Landsbrauch er
halten blieb, und das gemeine Recht mit einem kaum nenuens-
werthen Einfluss sich begnügen musste.
Eine Darstellung des salzburgischen ehelichen Güterrechtes
wurde ermöglicht durch die Veröffentlichung der von der kaiser
lichen Akademie der Wissenschaften gesammelten Taidinge des
Erzstiftes, 2 während zuvor nur die wenigen Bestimmungen des
Landfriedens von Erzbischof Friedrich III. aus dem Jahre 1328 3
und die Auszüge aus einzelnen späteren Gesetzen 4 bekannt
waren. Nebst diesen allgemein zugänglichen Denkmälern wurden
ferner noch zwei in dem k. und k. Haus-, Hof- und Staats
archive aufbewahrte Rechtscodices benützt, über welche, da
sie der Quellenkunde bis jetzt fremd geblieben, billiger Weise
hier nähere Nachrichten erwartet werden dürfen.
1 Seit der ersten Abtheilung des zweiten Bandes von Schröder’s Werk ist
noch erschienen L. A. Müller, historisch-dogmatische Darstellung der
Verhältnisse bei beerbter Ehe nach den bairisch-schwäbischen Stadt-
recliten 1874.
2 Oesterreichische Weisthümer I (1870) herausgegeben von Siegel und
K. Tomaschek.
3 Bei Rössler, über die Bedeutung und Behandlung der Geschichte des
Rechtes 1847, Anhang VI.
4 Bei Zauner, Auszüge aus den wichtigsten Landesgesetzen Salzburgs
3 Theile. 1785 ff.