320 Werner: Der Averroismns in der cbristlich-peripatetischen Psychologie. dieser Bewegung sind die beiden kirchlichen Lehrentscheidungen, deren erste festsetzte, dass die Seele die Wesensform des Leibes sei, während die letztere die Seelenunsterblichkeit, d. i. die Unvergänglichkeit und Unzerstörbarkeit des Informations- principes der menschlichen Leiblichkeit, declarirte. Während die erstere Lehrbestimmung die wesenhafte Einheit des con- creten Menschenwesens gegenüber einem unwahren Dualismus betonte, sollte durch letztere der denknothwendigen Wesens dualität das ihr zukommende Wahrheitsrecht gewahrt werden. Damit war aber eine Seite des anthropologischen Problems berührt, deren philosophische Erörterung sich mittelst der aus der aristotelischen und platonischen Philosophie entlehnten Auffassungsweisen keinem vollgiltigen Abschlüsse entgegen führen Hess, sondern von dem ohnedies bereits am Endpunkte seiner Entwickelung angelangten mittelalterlichen Peripatetismus der neueren nachscholastischen Philosophie als ungelöst geblie bene Denkaufgabe Übermacht wurde. Die eingehende metho dische Bearbeitung derselben, nahm ihren Anfang mit der car- tesischen Philosophie, welche, hierin noch von platonischen Reminiscenzen abhängig, einen unvermittelten Dualismus zwi schen Geist und Körper aufstellte. Welcher Art von Lösung das fragliche Problem schliesslich vom Standpunkte des neu zeitlichen speculativen Theismus entgegengeführt wurde, ist im Verlaufe dieser Abhandlung anlässlich der Beleuchtung der dem christlichen Averroismus unbewusst zu Grunde liegenden philo sophischen Denkmotive in Kürze angedeutet worden.