290 W ern er. Bestehens derselben auf dem Gebiete der Psychologie sich aus sprach, hatte ihren Grand in der Ueberzeugung von der aus schliesslichen Berechtigung der averroistischen Interpretation der Aussagen der natürlichen Vernunft. Sollte es überhaupt eine philosophische Lehre von der menschlichen Seele, eine rationale Psychologie gehen, so konnte es nur jene des Aver- roes sein; die kirchlich-theologische Seelenlehre hat, wie wir aus Janduns Munde vernahmen, ihre unantastbare Berechtigung vom Standpunkte des Glaubens aus, ist aber der philosophischen Demonstration nicht erreichbar. Die natürlichen Denkmöglich keiten in Auffassung des menschlichen Seelenwesens sind durch die einander wechselseitig aufhebenden Anschauungen desselben von Seite der beiden Commentatoren des Aristoteles, des Ale xander Aphrodisias und Averroes, erschöpft; die menschliche Seele muss entweder als eine am Leibe haftende Forma ina- terialis, oder als eine Forma separata gedacht werden. Sie kann nicht als Ersteres gedacht werden, wie Averroes in seiner Polemik gegen Alexander siegreich dargethan hat; also muss sie in der Weise des Averroes als Forma separata, d. h. als eine Form, welche dem Körper das Esse nicht verleiht, sondern dasselbe voraussetzt, gedacht werden. Gegen dieses Dilemma wurde nachträglich von Seite des ermässigten Averroismus Einsprache gethan. Niphus erklärt sich in seinem zweiten Commentar über die aristotelischen Bücher de anima 1 ausdrücklich gegen Jandunus, sofern dieser 1 Expositio subtilissima nec non et collectanea coramentariaqne in tres libros Aristotelis de anima nnperrime accuratissima diligentia recognita etc. (Venedig 1559), p. 631 ff. — Ueber das Verhältnis dieses zweiten Com- mentars über die Bücher de anima zum ersten von a. 1498 (gedruckt zu Venedig 1503) gibt die Vorrede zum zweiten Commentar Aufschluss. Niphus bekennt daselbst, dass er in seiner ersten Arbeit sich durchwegs an die Auslegung des Averroes hielt, die er auch noch in der zweiten Arbeit berücksichtiget, jedoch mit dem Vorbehalte, den Averroes dort überall zu berichtigen, wo dieser, wie Niphus nach der Hand entdeckte, durch unrichtige Uebersetzungen des aristotelischen Textes irregeleitet worden war: Commentaria Averrois non omnino refellemus, sed ubi illa ad mentem Aristotelis non erunt, nec parc.eiuus alicui pro veritate tenenda, imo nec nobis ipsis. Ferner fällt schon beim ersten flüchtigen Vergleiche beider Oommentare der ungleich grössere Umfang des zweiten ins Auge. Diese Erweiterung hat ihren Grund in der Sammlung eines reicheren Apparates für die gründliche Erledigung der Aufgabe, und in der aus-