Ueber die grossen Seuchen des Orients nach arabischen Quellen. 101 Solche religiöse Wanderzüge hatten in Europa schon vom Jahre 1260 an begonnen, und zwar zuerst in Peragia. Der An lass hiezu war der Schrecken, welchen die rasche Aufeinandei-- folge von Seuche und Hungersnoth verbreitete. Im selben Jahre zogen schon Geisslerschaaren durch Krain, Kärnten und Steiermark, das oberrheinische Land, Oesterreich, Böhmen und Mähren. Sie schienen dann in Vei’gessenheit zu gerathen, lebten wieder in Italien auf im Jahi-e 1334 in Folge der Pre digten des Dominikaners Venturinus zu Bergamo, zu Cremona aber durch ein schönes Mädchen, das für eine Heilige galt, angeregt. In Thüringen zählte man an Flagellanten allein sechs tausend. Sie waren, wie der Chronist Aventinus sich aus- drückt, ein ,dirum hominum genus et superstitiosum'. Ihre. Processionen hielten sie mit Kreuzen und Fahnen ab, je zwei neben einander gehend; in der Hand die Geissei, die aus di’ei Strängen mit drei Knoten bestand, worin Nadeln und Stacheln eingeknüpft waren, womit sie den nackten Rücken schlugen, bis das Blut ,mildiglich herabfloss'. 1 Nackt bis zum Nabel, geisselte sich jeder so viele Tage lang, als er Jahre alt war. So meldet Aventinus. Hingegen berichtet ein anderer Schi’ift- steller, 2 dass sie, nachdem sie sich so gegeisselt, wieder in die Kirche zogen, dort beteten, dann dreimal den Umgang in dem Friedhof hielten und bei jedem Umgang kreuzweis sich auf die Erde warfen, wobei sie bis drei Stunden liegen blieben. Einige warfen sich sogar nackt niedei’, wobei sie mit gegen den Himmel gestreckten Händen Busse thaten und Vergebung der Sünden erflehten. Nochmals erfolgte ein Ausbruch dieser religiösen Schwär merei und die Albati tauchten in Italien auf (um 1399), so genannt nach dem weissen Bussgewande; sie zogen paarweise einher, verschleiert und unter Absingung des Kirchenliedes ,Stabat mater dolorosa', von Zeit zu Zeit sich zu Boden werfend und in kläglichen Ausrufungen um Barmherzigkeit bittend. 1 Hahn: Ma£i£ etc. 2 Cramerns in der grossen Pommer’schen Kirchenchronica II, 68, die ich nach Hahn citire.