116 Mayr. solle nur die Störung des öffentlichen Friedens hintanhalten, jeden Ausbruch des Fanatismus niederwerfen und die reli giösen Angelegenheiten im Sinne der Toleranz verwalten. ,Voulez vous donc empecher qu’une secte ne bouleverse l’Etat, usez de tolerance/ 1 Ein Gemeinwesen ohne Religion schien Voltaire undenk bar. Zeit seines Lebens bekämpfte er den Atheismus, als die schlimmste Form der Religionslosigkeit. 2 Wenige Jahre vor seinem Tode warf er noch dem ,Systeme de la nature‘ den Fehdehandschuh zu. Als Philosoph machte er gegen den ,Quand la populace se mele de raisonner, tout est perdu 1 durch eine Reihe von Schriften zum Beweise, dass der Philosoph ein inearniter Feind der Volksaufklärung gewesen. Der Satz stammt aus einem Briefe an Damilaville (1. April 1766). Liest man ihn im Zusammenhänge, so bekömmt er einen ganz anderen Sinn; Voltaire spricht nämlich darin ein verwerfendes Urtheil über die dogmatischen Zwistigkeiten der byzan tinischen Kaiserzeit und der Reformationsperiode aus, welche deshalb so schrecklich wurden, weil das unwissende, nicht aufgeklärte Volk sich an ihnen betheiligte. Wie sich Voltaire das Verhältniss der Auf geklärten zum niederen Volk dachte, mögen folgende Briefstellen er läutern : ,Le bas peuple en vaudra certainement inieux, quand les prin- cipaux citoyens eultiveront la sagesse et la vertu: il sera contenu par I’exemple, qui est la plus belle et la plus forte des lei;ons . . c’est la seule manihre d’instruire l’ignorance des villageois. Ce sont donc les principaux citoyens qu’il faut d’abord eclairer“. (A Damilaville, 13. April 1766. ) ,Non monsieur 1 , schreibt er an Linguet, ,tout n’est pas perdu quand on met le peuple en etat de s’apercevoir qu’il a un esprit. Tout est perdu au contraire quand on le traite comme une troupe des tau- reaux; car, tot ou tard, ils vous frapperont de leurs cornes. (15. März 1767. ) — On n’a jamais pretendu eclairer les cordonniers et les ser- vantes; c’est le partage des apötres. (A Dalembert, 2. Sept. 1768.) 1 Commentaire sur la loi des delits et des peines (1766), IV. — Dass es in Wirklichkeit nicht so friedlich hergehen könne, musste er freilich einem Friedrich II., einer Katharina II. zugeben. 2 Art. Athee; Atheisme; Dieu. — Histoire de Jenni (1775, 8—11) in welchem Romane Birton gegen Freind die Sache des Atheismus führt, zum Schlüsse aber vor diesem Deisten die Segel streicht. — Traite de mutapliysique (1734), 2. — Dialogue entre Lucreee et Posidonius (1758). — Homelie prononcde ä Londres, I. 'Sur l’athdisme (1767). — Lettres de Memmius üCiceron; Traite III—VI. — Dialogue d’Evliembre (1777), 2—4. — A Villevieille, 26. Aug. 1768. — Vgl. den Briefwechsel des Jahres 1770.